Auch Wanderwege können krank werden, hat der Bad Schandauer Kartograf Rolf Böhm herausgefunden. Aber es gibt auch Behandlungsmethoden.
Ein Fall von Asphaltitis. Diese harte Diagnose musste man vor nicht allzu langer Zeit einem der ganz großen Wanderwege in der Sächsischen Schweiz stellen: dem europäischen Fernwanderweg E3 (blauer Strich). Ausgerechnet im malerischen Bielatal hatte sich der Keim eingenistet – zwischen Ottomühle und Bernhardstein führte die Route kilometerweit auf der Straße entlang. Ein Zustand, den der bekannte sächsische Wanderkartenverleger Rolf Böhm „pathologisch“ nennt. Wie ein Lebewesen könne sich auch ein Weg mit allerlei tückischen Erregern infizieren und – falls sie unentdeckt und unbehandelt blieben – daran allmählich zugrunde gehen. Denn Wege, auf denen keiner mehr wandert, sterben. Und Asphalt verdirbt jeden Wandergenuss totsicher. Das Problem im Bielatal wurde zwar inzwischen kuriert, die Gemeinde hat den E3 umverlegt. Die Symptome der Asphaltitis und dergleichen Zipperlein könne man aber auch an anderen Wegen in der Region studieren, sagt Böhm.
Der Bad Schandauer ist in der sächsischen Wanderszene nicht nur wegen seiner kultigen, handgezeichneten Karten, sondern auch für manch launigen Einfall bekannt. Seine jüngste Idee ist eine witzige kleine Broschüre, in der Böhm insgesamt 14 Krankheiten auflistet, die einen Wanderweg befallen können. Im Stil eines medizinischen Nachschlagewerks beschreibt das Heftchen Punkt für Punkt alle dazugehörigen Symptome, Krankheitsverläufe und Therapieansätze – von der schleichenden Deckenverhärtung über die zwanghafte Markierungssucht bis zum akuten Weg-Verschluss.
Ein besonders langes Kapitel widmet die Böhm´sche Heilkunde der so genannten Regression oder Wege-Schwindsucht. Das darin diagnostizierte flächenhafte Verschwinden von Wegen muss einem Kartografen naturgemäß schon in den engen Grenzen einer Nationalpark-Kernzone einigen Kummer bereiten. Böhm sieht das Problem jedoch viel dramatischer, als eine kaum noch heilbare „Jahrhundertkrankheit“. Verursacht wird sie von Landwirten, Kommunalplanern, Straßenbauern – letztlich dem modernen Homo Sapiens mit all seinem maschinenbewegten Sitzfleisch. Man könnte „Dr. Böhms Praxis für Wanderwege-Heilkunde“ darum in letzter Konsequenz wohl auch als ironische Kulturkritik verstehen. Als spöttischen Kommentar auf eine Zivilisation, die es zunehmend verlernt, sich ihres ältesten Fortbewegungsmittels zu bedienen – des Wanderwegs.
„Wanderwege sind Lebewesen – Dr.Böhms Praxis für Wanderweg-Heilkunde“ ist im Buchhandel erhältlich oder kann zum Preis von 5,80 Euro plus 4 Euro Versandkosten übers Internet bestellt werden: www.boehmwanderkarten.de
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