Das Rudel wurde seit Monaten nicht mehr gesichtet. Allem Anschein nach ist nur noch ein einzelnes Tier in den Wäldern nördlich der Sächsischen Schweiz unterwegs.
Kaum etwas hat in der Sächsischen Schweiz in den vergangenen zweieinhalb Jahren mehr Aufmerksamkeit erregt, als die Wolfsfamilie, die im Sommer 2012 im benachbarten Hohwald heimisch wurde. Nun ist sie fort – schon seit Monaten wie vom Erdboden verschwunden. Laut Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz deutet alles darauf hin, dass das Rudel nicht mehr existiert. Dabei hatten die Wölfe im Hohwald 2012 und 2013 nachweislich Welpen. Das Rudel bestand aus mindestens fünf Tieren. Doch dem Lupus Institut für Wolfsmonitoring in Spreewitz fehlt schon seit fast einem Jahr von den Jungen jede Spur. Und nicht nur das: Auf Fotofallenbildern war zuletzt immer nur ein einzelner Wolf zu sehen – aber kein Paar oder gar eine Gruppe. Die Spurenfunde aus diesem Winter stammen ebenfalls nur von einem Tier. Auch bei den Drückjagden im Herbst wurden keine Welpen gesichtet. Die Daten würden sich mit Erkenntnissen tschechischer Kollegen decken, die ebenfalls nur noch ein Tier nachweisen konnten. Für eine endgültige Aussage über den Status des Rudels müssen noch genetische Proben ausgewertet werden. Das plötzliche Fehlen von Nachweisen sei aber „auffallend“, sagt Wolfsexpertin Ilka Reinhardt vom Lupus Institut.
Wurden die Wölfe erschossen?
Über die Ursachen ist noch nichts bekannt. Sind die Graupelze weiter nach Süden oder Westen gewandert? Wölfe sind äußerst ausdauernde Langstreckenläufer, die es auf ihren Streif- und Jagdzügen in einer einzigen Nacht mühelos vom Hohwald in die benachbarte Sächsische Schweiz oder gar bis ins böhmische Mittelgebirge schaffen können. Doch ein einmal etabliertes Rudel wird in gewisser Hinsicht sesshaft. Während die ausgewachsenen Jungen der Gruppe nach ein bis zwei Jahren in andere Gebiete abwandern, bleiben die Elterntiere den bekannten Gefilden normalerweise bis zu ihrem Tod treu, sagt Ilka Reinhardt. Die Hohwaldwölfe sind nicht das einzige sächsische Rudel, das aus unerfindlichen Gründen verschwunden ist. Auch vom Kollmer Rudel in der Lausitz fehlt neuerdings jede Spur. Die Umstände werfen Fragen auf. 2014 wurden nach offiziellen Angaben im Freistaat sechs tote Wölfe gefunden. Drei starben bei Verkehrsunfällen, bei einem vierten Tier ist die Todesursache ungeklärt – zwei wurden illegal erschossen.
Ob und wann sich im Hohwald eine neue Wolfsfamilie etabliert, ist ungewiss. Nach den Fotofallenbildern zu urteilen, könnte es sich bei dem Einzelwolf um ein weibliches Tier handeln – noch ist das aber keineswegs sicher. Der russische Naturforscher Dmitrij Iwanowitsch Bibikow schrieb in einem viel beachteten Buch über Wölfe, dass isolierte, aus ihrer Gemeinschaft gerissene weibliche Tiere in Ermangelung anderer Partner die Bereitschaft zeigen, sich mit streunenden Hunden zu paaren. Ilka Reinhardt hält ein solches Szenario allerdings für wenig wahrscheinlich. Acht der zehn Rudel im Lausitzer Wolfsgebiet haben gegenwärtig geschlechtsreife Junge, und für einen Lausitzer Wolf ist der Hohwald in einer Nacht zu erreichen.
Ist unsere Angst vor Wölfen begründet? Ein Interview mit dem bekannten US-amerikanischen Wolfsforscher Doug Smith.
Eine Übersicht zu den Territorien der sächsischen Wolfsrudel gibt es hier. Hinweise zu Wölfen (Sichtungen, Spuren, Risse) nehmen das Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz und die Wolfsbeauftragten in den jeweiligen Landkreisen entgegen. Für die Sächsische Schweiz: Jens Abram (03501/515-3433), Detlef Uhlig (03501/515-3438).
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