„Konfrontationen bringen nichts“

Nationalbarkchef Dietrich Butter
Dietrich Butter leitet den Nationalpark Sächsische Schweiz seit knapp fünf Jahren. Zuvor war er Chef des benachbarten Forstbezirks Neustadt. (Foto: Hartmut Landgraf)

In den Affensteinen ist ein Hektar Wald verbrannt. Kehren nun die alten Zeiten zurück? Schlägt die Nationalparkverwaltung wieder einen härteren Kurs ein? Ein Gespräch mit Nationalparkchef Dietrich Butter über eine 25-jährige Gratwanderung, über hoch gesteckte Ziele, Kompromisse und Widersprüche – und die Suche nach dem richtigen Weg.

Nationalpark Grenzstein Icon

Herr Butter, der Nationalpark Sächsische Schweiz wird 25 Jahre alt. Ist Ihnen zum Feiern zumute?

Nicht so richtig. 25 Jahre sind im Grunde keine lange Zeit für die Natur oder einen Nationalpark. Das kann man im ältesten Nationalpark Deutschlands, im Bayerischen Wald, sehr schön sehen. Gegründet wurde er 1970 – und bis heute sieht man dort auf Schritt und Tritt noch Spuren menschlicher Tätigkeit. Wir wollen uns nicht selber feiern. Aber trotzdem sehe ich in dem Jubiläum einen guten Anlass zusammenzukommen und sich gemeinsam zu erinnern, was für eine große Errungenschaft es war, dass 1990 hier auf einem Viertel der Fläche der Sächsischen Schweiz ein Nationalpark gegründet wurde – und mit wie viel Engagement, ja fast Euphorie, das passiert ist.

In den Affensteinen ging gerade ein Hektar Wald in Flammen auf – nicht gerade das Feuerwerk, dass man sich zu so einer Veranstaltung wünscht . . .

Richtig.

Wie geht es Ihnen damit?

Man kann das von verschiedenen Seiten betrachten. Es gibt Fachleute, die darüber nachdenken, inwiefern Feuer zu einem Nationalpark gehört. Es gibt ja auch natürliche Brandursachen – Gewitter zum Beispiel. Ein vom Blitz verursachtes Feuer löst im Wald Entwicklungen aus, die man ebenfalls als Teil unseres Prinzips „Natur Natur sein lassen“ begreifen könnte und die durchaus spannend sind. Daraus ergibt sich die Frage: Musste man diesen Waldbrand überhaupt bekämpfen? Aber das Gebiet ist sehr trocken – wir hatten keinen richtigen Winter, und die Sandsteinböden halten nur sehr wenig Wasser. Alle Feuchtigkeitsspeicher sind leer. Dazu kamen die Hitzeperioden in diesem Sommer. Ein Feuer kann unter solchen Umständen richtig gefährlich werden. Zuallererst für die Verursacher. Diesmal waren Schlafsäcke angeschmort. Es könnten auch Menschen zu Tode kommen… Es gehört daher aus gutem Grund zu unseren Managementzielen, Waldbrände zu verhindern. Und wir meinen auch, dass ein verbrannter Wald nicht das wäre, was sich die Besucher im Nationalpark wünschen.

Waldbrand im Affensteingebiet
Vergangene Woche brannte ein Riffwäldchen in den Affensteinen lichterloh. Ursache war höchstwahrscheinlich ein illegales Lagerfeuer. (Foto: Kai Bigge)

Ist das für Sie ein und dasselbe – ein Waldbrand, der durch einen Blitz entsteht und einer, der durch ein illegales Lagerfeuer verursacht wurde?

Ich wollte nur sagen, dass Waldbrände nicht zwangsläufig von Menschen verursacht werden – und dass wir sie auch nicht automatisch bekämpfen müssen. Wie wichtig Feuer für die natürliche Entwicklung ist, kann man in borealen Nadelwäldern sehen. Da gibt es riesige Waldbrände. Die Frage ist natürlich, ob man sich das hier leisten will in dieser dicht besiedelten Landschaft. Da sehe ich Grenzen und die Notwendigkeit einzugreifen. Brandbekämpfung ist in so einem Gebiet, wie der Sächsischen Schweiz, aber sehr aufwendig. Die Waldfläche, die in den Affensteinen vernichtet wurde, ist minimal – ein reichlicher Hektar. Gemessen daran, ist der Aufwand an Zeit, Material und Geld, der nötig war, um dieses Feuer zu löschen, immens. Allein die Flugstunde so eines Löschhubschraubers kostet 3000 Euro, das muss jemand bezahlen… Und ich bin nicht besonders optimistisch, dass der Verursacher gefunden wird.

Ihre Reaktion kam schnell – und sie klang deutlich.

In so einer Situation ist die gesamte Mannschaft einschließlich meines Pressesprechers mit den Erfordernissen der Brandbekämpfung beschäftigt. Da haben wir keine Zeit, uns erst eine Pressestrategie zu überlegen. Die Presse steht einem aber zeitgleich schon auf der Matte und will informiert werden. Also setzt man sich hin, sammelt sich kurz und versucht, in wenigen Sätzen eine möglichst kompakte Erklärung zu Papier zu bringen. Ich versichere Ihnen – das, was in dieser Pressemitteilung stand, war nicht lange überlegt, sondern eher ein bisschen aus dem spontanen Ärger über diesen Vorfall heraus gesprochen.

Bloßstock und Affensteine
Die Affensteine mit dem klettersportlich bedeutsamen Bloßstock gehören zu den beliebtesten Fotomotiven und Wanderzielen im Elbsandsteingebirge. Denn das wirklich Charakteristische am Nationalpark Sächsische Schweiz sind nicht seine Wälder, sondern die Türme, Nadeln und Tafelberge aus Sandstein. Was auch im Nationalparkprogramm ausdrücklich anerkannt wird. Dor steht: „Als komplex ausgestattete Erosionslandschaft, deren Sandsteinablagerungen in der Kreidezeit entstanden, ist es ein zumindest für Mitteleuropa außergewöhnliches Beispiel für die geologische Formung der Erdoberfläche.“ (Foto: Hartmut Landgraf)
Riffkiefer an der Fluchtwand
Riffkiefern sind hart im Nehmen. Sie schlagen Wurzeln an den unmöglichsten Stellen und behaupten sich viele Jahrzehnte als kümmerliche Zwerge gegen die Kräfte von Wind und Wetter. (Foto: Hartmut Landgraf)

Harte Worte und Konfrontationen um den Nationalpark gab es in den letzten Jahren kaum. Während Ihrer Zeit als Leiter haben Sie sich um Entspannung und Akzeptanz und ein besseres Verhältnis zu den Wander- und Bergsportverbänden bemüht. Ist dieser Kurs eigentlich richtig oder muss Naturschutz doch eher kompromisslos sein und den Leuten wehtun, damit er etwas bewirkt?

Es geht nur gemeinsam. Das ist meine tiefe innere Überzeugung. Konfrontationen zu befeuern oder gar zu verursachen – als Nationalparkverwaltung oder deren Leiter – ich denke, das bringt nichts. Wenn dieser Nationalpark nicht durch eine Mehrheit getragen und gewollt ist, wird er es schwer haben. Im Extremfall könnte es dann eine andere politische Entscheidung in dieser Frage geben. Unabhängig davon haben wir den Auftrag, Beiträge zur Regionalentwicklung zu leisten und daran zu arbeiten, dass die Akzeptanz des Nationalparks in der Bevölkerung möglichst wächst. Dafür müssen wir was tun. Der Nachteil ist: Wenn man die Zusammenarbeit sucht, den Dialog pflegt und auch mal Kompromisse auslotet, dann ist das, wofür man steht, nicht immer und für jeden klar sichtbar. Naturschutzziele erreichen – ohne die Akzeptanz des Nationalparks zu gefährden – ist eine schwierige Gratwanderung.

Alte Nationalparkkarte mit Kernzone
Große Pläne: Auf dieser Karte Anfang der 90er-Jahren ist die streng geschützte Kernzone des Nationalparks sehr viel größer eingezeichnet als sie in Wirklichkeit ist. Von diesen Vorstellungen musste sich die Naturschutzbehörde verabschieden. (Abb.: Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz, Sonderheft zur Eröffnung des Nationalparks, Unveränderter Nachdruck der 2. Auflage, 1995, Seite 9)
Nationalparkkarte aktuell
Ein Mosaik aus kleinteiligen Zonen – so sieht er wirklich aus, der Nationalpark Sächsische Schweiz. (Abb. Screenshot – www.nationalpark-saechsische-schweiz.de)
Kernzonenschild
Am Reitsteig oberhalb des Wurzelwegs im Schmilkaer Gebiet beginnt der am strengsten geschützte Bereich des Nationalparks. Durch die Kernzone darf man nur auf markierten Wegen wandern. Boofen ist tabu. (Foto: Hartmut Landgraf)

Hat Naturschutz für Sie Vorrang oder ist er genauso wichtig wie andere Nationalpark-Ziele?

Das kommt auf die Betrachtungsebene an. Rein rechtlich, egal ob im Bundes- oder Landesnaturschutzgesetz, gibt es eine klare Rangfolge. Die besagt, dass das Ziel „Natur Natur sein lassen“ anderen Zielen des Nationalparks übergeordnet ist – zumindest auf dem überwiegenden Teil der Fläche. Aber ich denke, es ist wichtig, dieses Ziel nicht mit hoheitlicher Gewalt und ordnungsrechtlichen Mitteln zu verfolgen, sondern das Verständnis dafür zu wecken und möglichst viele Mitstreiter zu gewinnen. Wir brauchen Verbündete. Wenn wir das nicht erreichen, bleibt alles andere nur Stückwerk. Wenn man dem vorrangigen Ziel des Nationalparks nur mit Polizeigewalt zur Geltung verhelfen würde…

Die haben Sie ja gar nicht . . .

Eben… Oder besser: Wir haben zwar einige hoheitliche Befugnisse, aber die sind begrenzt… Damit ist der Nationalpark nicht zu retten. Wir brauchen wirkliche Unterstützer.

Nach dem Vorfall in den Affensteinen haben Sie ein härteres Vorgehen gegen illegales Feuermachen im Nationalpark angekündigt. Müssen Sie für diese Auseinandersetzung nicht zunächst mal mehr Ranger von übergeordneter Stelle anfordern?

Zu allererst müssen wir schauen, mit welchen Personal- und Finanzressourcen wir selber operieren können. Da gibt es noch Gestaltungsspielräume. Theoretisch könnten wir Mitarbeiter, die anderweitig beschäftigt sind, für die Arbeit auf der Fläche freistellen – was aber hieße, dass andere Dinge liegenbleiben. Einschließlich meiner Person hat die Nationalparkverwaltung zurzeit 65 Mitarbeiter. Wir können aber nicht wie auf einer Insel agieren und irgendwelche Wünsche äußern, sondern unterliegen übergeordneten Planungen. Jene vom Sachsenforst besagen, dass wir bis 2020 nicht mehr, sondern weniger Leute werden – wir bauen Personal ab. Nicht jede Stelle wird wiederbesetzt. Also müssen wir uns nach anderen Möglichkeiten umschauen, zum Beispiel unser Netz an ehrenamtlichen Naturschutzwarten weiter ausbauen. Die Mitarbeiter der Nationalparkwacht sind den Revierleitern zugeordnet. Und die arbeiten nach dem Territorialprinzip. Das heißt, sie sind für alles zuständig, was in ihrem Revier passiert: forstliche Arbeiten, Öffentlichkeitsarbeit, Naturschutzarbeit, Umweltbildung – alles. Und weil auch die Revierleiter zu wenig Ressourcen haben und mitunter nach dem Feuerwehrprinzip handeln, heißt es dann: Ranger, jetzt bitte Waldbrand löschen! Oder: Ranger, jetzt bitte Borkenkäfer kontrollieren! Einen Teil der forstlichen Arbeiten könnten aber im Rahmen von Dienstleistungsverträgen auch Unternehmen erledigen. Da sehe ich noch Kapazitäten und Reserven.

Dass Sie zu wenige Ranger haben, war ja schon einer der großen Kritikpunkte bei der Evaluierung des Nationalparks vor drei Jahren.

Ich habe den Bericht des Komitees etwas differenzierter in Erinnerung. Damals entsprach die Personalstärke der Wacht in etwa dem, was für einen Nationalpark anhand von Flächenberechnungen für notwendig erachtet wurde. Aber mittlerweile haben wir mehrere Mitarbeiter der Wacht verloren, etwa durch altersbedingte Abgänge oder Umsetzungen in den Nachbarforstbezirk. Bei der Wacht sind aktuell 16 Ranger beschäftigt. Damit liegt die Zahl der Ranger unter dem empfohlenen Soll – und sie nimmt noch weiter ab. Dabei waren wir uns mit dem Sachsenforst und dem Umweltministerium in Auswertung der Evaluierung einig, dass wir den Personalbestand bei der Wacht halten wollen. Das ist ein Problem. Auch wenn gegenwärtig ein Bundesfreiwilligendienstleistender sowie rund 50 Naturschutzhelfer und gelegentlich andere Nationalpark-Mitarbeiter Unterstützung leisten.

Wanderer im Nationalpark
2,9 Millionen Besucher kommen laut Nationalparkverwaltung jedes Jahr ins Schutzgebiet. Doch in der zerklüfteten Felslandschaft verteilt sich der Strom auf die Hauptadern, Seitenarme und kleinsten Zweigen eines riesigen Wanderwegenetzes, sodass man selbst in der Hochsaison stets ruhige Ecken findet. (Foto: Thomas Pöschmann)

Bemängelt wurde auch, dass es im Nationalpark Sächsische Schweiz zu viele Wanderwege gibt. Aus der Wanderszene hingegen hört man das genaue Gegenteil. Was ist richtig?

Bei der Evaluierung wurde festgestellt, dass wir ein touristisch zu dicht erschlossener Nationalpark sind – dass es bei uns zu wenig Rückzugsräume und Ruhebereiche für die Naturentwicklung gibt. Dazu muss man aber folgendes wissen: Diese Evaluierung ist eine politische Entscheidung. Die Umweltminister von Bund und Ländern haben sich gesagt, wir möchten Qualitätsstandards für deutsche Nationalparke haben. Nicht dahingehend, dass alle gleich sein sollen, sondern so, dass in der Auseinandersetzung mit diesen Standards eine Entwicklung zum Positiven in Gang kommt. Ich finde so ein Qualitätsmanagement unverzichtbar. Das dichte Wegenetz ist bei uns geschichtlich bedingt, so etwas können Sie nicht kurzfristig ändern, sondern nur behutsam weiterentwickeln. In Sachsen gab es dazu eine klare Position des Umweltministers: Er ist vor die Presse getreten und hat gesagt, wir halten an der touristischen Erschließung fest. Alles andere besprechen wir mit den Verbänden und Kommunen in der gemeinsamen Arbeitsgruppe Wege.

Was bedeutet „Weiterentwicklung“ in diesem Zusammenhang?

Zum einen entwickelt sich die Natur. Biotope verändern sich – und das kann von uns Rücksichtnahme erfordern und naturschutzfachlich begründete Modifikationen am Wegenetz notwendig machen. Genauso ist es beim Tourismus. Dafür gibt es die gemeinsame Arbeitsgruppe Wege. Es ist zwar unglaublich schwierig und man muss sehr überzeugend sein, um dort ein Einvernehmen mit den Kommunen und Verbänden herzustellen. Aber ein Konsens hält natürlich sehr viel besser als eine im Alleingang getroffene Entscheidung.

Rauschenstein und Großer Winterberg
Das Felsmassiv des Rauschensteins ist ein beliebter Klettergipfel. Dahinter der Große Winterberg – mit 556 Metern die zweithöchste Erhebung in der Sächsischen Schweiz und die höchste im Nationalpark. In der Ferne grüßt die Kuppe des Rosenbergs im benachbarten Böhmen. (Foto: Hartmut Landgraf)

Ist es nicht vielmehr so, dass sich gar nichts bewegt – weder für den Naturschutz noch für die Wanderer – weil sich in der besagten AG immer irgendeine Seite gegen das angestrebte und per Geschäftsordnung vorgeschriebene Einvernehmen sperrt?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es für die Nationalparkverwaltung gut wäre, wenn wir alle touristischen Wünsche, die da vorgetragen werden, einfach blockieren. Genauso wäre es natürlich problematisch, wenn von touristischer Seite alles abgelehnt wird, was wir vortragen, nur weil es vom Naturschutz kommt – dann funktioniert so ein Gremium nicht. Was wäre aber die Alternative? Ich glaube nicht, dass es besser ist, wenn wir uns als Nationalparkverwaltung bevollmächtigen lassen, die Entscheidungen künftig alleine zu treffen. Wie gesagt, ich hätte gerne Verbündete. Deshalb halte ich an der AG Wege fest, wobei dieses Gremium nicht meine Erfindung war, sondern schon vor meiner Zeit bestand. Aber ich muss sagen, dass ich dort eine Menge Impulse bekommen und Dinge abgewogen habe, die ich schätze.

Wenn ich mal fragen darf – wie alt sind Sie?

Ich werde in einem Monat 61.

Wie soll der Nationalpark aussehen, wenn Sie in Rente gehen?

(Lacht)… Also 2020 ist ein wichtiges Datum in unserer Rechtsverordnung. Ab dann wollen wir auf mindestens zwei Dritteln der Gesamtfläche des Nationalparks keine Waldpflegearbeiten und lenkenden Maßnahmen mehr durchführen, abgesehen davon, dass wir Waldwege oder Beschilderungen in Ordnung halten. Aber andere Maßnahmen sind dort dann nicht mehr zulässig…

Borkenkäferwald am Reitsteig
Wie ein Wald aussieht, wenn ihn der Borkenkäfer befällt, kann man am Reitsteig im Gebiet des Großen Winterbergs studieren. Aber das ist nicht das Ende. Zwischen den kahl gefressenen Fichten wächst hier und da bald junges Grün: Birken, Buchen und wiederum Fichten – die nächste Waldgeneration. (Foto: Hartmut Landgraf)

Also auch keine Borkenkäferbekämpfung . . .

Eigentlich ja. Im Nationalparkprogramm gibt es aber den Zusatzpunkt, dass keine Gefahren auf benachbarte Wälder ausgehen dürfen, beispielsweise solche, die sich in Privatbesitz befinden. Diesen Spagat bis 2020 auf zwei Dritteln der Fläche hinzubekommen, ist ein sehr anspruchsvolles Ziel. Unsere bisherigen Planungen basieren auf einer Flächenbewertung aus dem Jahr 2008. Damals hatte man sich den Wald im Nationalpark Stück für Stück hinsichtlich seiner Naturnähe angeschaut, um zu ermitteln, welche Bereiche man künftig aus der forstlichen Pflege in den Ruhebereich entlassen kann und wo noch Umbaumaßnahmen erforderlich sind. Da arbeiten wir teilweise in sehr kleinteiligen Mosaiken. Und das ist ein Riesen-Problem im Schutzgebietsmanagement, auch im Hinblick auf die Akzeptanz. Es ist nicht leicht, einem Laien zu erklären, wieso in dem einen Waldstück noch Bäume gefällt werden und rechts und links daneben nicht mehr.

. . . oder dass man als Wanderer rechts keinen Schritt vom Weg abweichen darf, während links ein Harvester durchs Gehölz fährt.

Darauf komme ich gleich noch zurück. Mein Wunsch wäre, dass wir die Planungen, die wir jetzt konkretisiert haben, am Ende auch wirklich umsetzen – und zwar mit allem, was dazugehört. Wir haben die Teile des Nationalparks, die bis 2020 aus der Pflege entlassen werden sollen, jetzt zu größeren Einheiten zusammengefasst – und das bedeutet, es werden sich auch solche darunter befinden, die eben noch nicht so naturnah sind, wo noch die Fichte dominiert. Ein Zeitraum von 30 oder 40 Jahren ist sehr kurz, um einen Wald umzugestalten und beispielsweise die Tanne einzubringen. Und wo sich Natur frei entwickelt, kann es auch Überraschungen geben. Auch dafür brauchen wir Akzeptanz. Ich würde mir wünschen, dass wir das hinbekommen. Ich sehe das als eine große Herausforderung an – auch persönlich. Denn eine solche Aufgabe bekommt man als Forstmann – was ich von der beruflichen Ausbildung ja nun mal bin – nicht so oft gestellt. Wälder nachhaltig zu bewirtschaften ist schon eine Herausforderung. Aber diese hier ist noch mal ganz was anderes. Tja, und zu den Maschinen im Nationalpark: Ich habe ein sehr großes Verständnis für solche Fragen. Das müssen wir erklären – nicht nur einmal, sondern immer wieder. Noch wichtiger finde ich, dass wir uns selbst hinterfragen, ob wir die Arbeiten auch wirklich so pfleglich wie möglich durchführen. Da gibt es viele Klippen, über die man stolpern kann und auch Fehler, die passieren. Wenn man die Arbeiten gut vorbereitet und das richtige Personal dafür auswählt, kann man mit dem heutigen Stand der Technik pfleglicher arbeiten als früher. Aber man kann auch in kürzester Zeit einen riesigen Schaden anrichten. Das ist ebenfalls eine Gratwanderung.

Forwarder im Nassen Grund
Gehören solche Maschinen in einen Nationalpark? Um diese Frage wird in der Wanderszene viel gestritten. Der Timberjack 810D ist ein mittelschwerer Rückezug (Forwarder) des amerikanischen Landmaschinenherstellers John Deere, der es inklusive neun Tonnen Nutzlast auf ein Gesamtgewicht von etwa 20 Tonnen bringt. Das Foto entstand im Winter im Nassen Grund. (Foto: Tom Kirsten)
Spuren eines Forwarders
Und das sind die Spuren, die ein solches Fahrzeug hinterlässt. Hier ein Bild vom Holzeinschlag an der Wildwiese im vergangenen Winter. (Foto: Hartmut Landgraf)

Müsste man in einem Nationalpark nicht schon prinzipiell auf den Einsatz solcher Technik verzichten?

Und was wäre die Alternative?

Zum Beispiel Pferde statt Zugmaschinen . . .

Folgendes: Der Holzeinschlag bleibt im Nationalpark aus Naturschutzgründen aufs Winterhalbjahr beschränkt – er findet außerhalb der Brut- und Setzzeiten statt. Zudem versuchen wir, auch auf den Tourismus Rücksicht zu nehmen, indem die anstehenden Arbeiten nach Möglichkeit noch ein bisschen nach hinten geschoben werden, bis die Saison vorbei ist. Hinterher sollen die Wege wieder in Ordnung gebracht werden – das alles sind limitierende Faktoren, wir bewegen uns da in sehr begrenzten Zeiträumen. Ihnen ist sicher klar, dass eine moderne Holzrückemaschine von der Arbeitsproduktivität her sehr viel mehr leisten kann als ein Pferd – das heißt, Sie bräuchten sehr viele Pferde und sehr viel mehr Zeit, um die gleiche Menge Holz rauszubringen. Zweiter Punkt: Wir lassen diese Arbeiten von Unternehmen ausführen, und auch deren Kapazitäten sind begrenzt. Die forstlichen Dienstleistungsunternehmen haben zum Beispiel große personelle Engpässe bei Waldarbeitern, die noch per Hand mit der Motorsäge agieren – weil das eine schwere und gefährliche Arbeit ist. Dafür gibt es wenig Nachwuchs, und die Älteren sind oft körperlich gehandicapt. Wer heute den Beruf des Forstwirts erlernt, der orientiert sich auf Maschinenarbeit. Auch der Sachsenforst stellt kaum noch Waldarbeiter ein. Selbst wenn er würde – der Markt ist begrenzt.

Fichtenforst bei Hinterhermsdorf
Ein Fichtenreinbestand bei Hinterhermsdorf. Solche Monokulturen gibt es noch vielerorts im Nationalpark. Vor fünf Jahren betrug der Anteil der Fichte im Nationalparkwald noch rund 46 Prozent. Für einen Übergangszeitraum von 40 Jahren wird deshalb im Nationalpark noch Waldpflege betrieben. Die alten Fichtenbestände werden gelichtet, damit es andere Baumarten wie Buche und Eiche leichter haben zu wachsen. Das Ziel: Ein naturnaher Laubmischwald. Spätestens ab 2030 soll aber auf 75 Prozent der Nationalparkfläche Schluss sein mit dem Holzeinschlag. Zum Bild: Diese Bäume werden gefällt, deshalb sind sie mit roter Farbe markiert – „ausgezeichnet“, wie der Forstmann sagt. (Foto: Hartmut Landgraf)
Lichter Fichtenwald
Ein lichter Fichten-Mischwald im Schießgrund. So sieht er schon sehr viel natürlicher aus. (Foto: Thomas Pöschmann)
Buchenwald am Großen Winterberg
Die Buchenwälder am Großen Winterberg sind natürlich und standortgerecht und befinden sich in der sogenannten Naturzone A des Nationalparks. Hier werden bloß noch die Wege gepflegt, der Wald darf wachsen wie er will. (Foto: Hartmut Landgraf)

Warum überlassen Sie den Fichtenwald nicht sich selbst und sägen überhaupt nicht mehr? Das wäre doch konform mit den Nationalpark-Prinzipien. Ist die Angst vor dem Borkenkäfer so groß?

Angst ist ein negativ belegter Begriff. Ich stimme Ihnen zu, man könnte einen Fichtenforst, der naturfern ist, sich selbst überlassen – das wäre in einem Nationalpark zielstellungsgerecht und wir hätten in Bezug auf die Maschinen ein Argumentationsproblem weniger. Die Natur richtet das. Es kann sein, dass dieser naturferne Fichtenreinbestand Jahrzehnte vor sich hinwächst, bis irgendwann mal ein Sturm kommt und die Bäume umwirft oder bis der Käfer sie befällt. Das kann alles auch sehr viel schneller passieren. Hinterher entsteht dann ein neuer Wald, der vielleicht noch nicht die natürliche Vegetation in Reinkultur darstellt, aber schon mal ganz was anderes ist.

Was spricht dann dagegen?

Es fällt schwer sich vorzustellen, diesen natürlichen Prozess so radikal zuzulassen – in dieser Landschaft, die relativ dicht besiedelt ist und ein so hohes Besucheraufkommen hat. Besonders vor dem Hintergrund, dass wir im Zusammenhang mit Luftverschmutzung jahrzehntelang über Waldsterben geredet haben – und das schlimm fanden. Als die Regularien für den Nationalpark erarbeitet wurden, war man der Überzeugung, dass ein solch großflächiges Zusammenbrechen von Wald in einem touristisch dicht erschlossenen Gebiet nicht akzeptabel wäre. Im Gegenteil, man beschloss, sich für den Übergang sogar zehn Jahre länger Zeit zu nehmen als in anderen Nationalparken üblich und den Wald teilweise umzubauen, um Impulse für die natürliche Vegetationsentwicklung zu setzen. Es ist schon mal ein Unterschied, ob ich einen Fichtenbestand so auflichte, dass sich darunter eine neue Waldgeneration bildet, oder ob alles total dicht bleibt und dann irgendwann mit einem Mal abstirbt. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit unserer Kompromiss-Strategie die richtigen Trittsteine setzen und mit jährlich 300 Hektar Waldpflegefläche bis 2020 noch ein ganzes Stück auf diesem Weg vorankommen. Danach wird sich das forstliche Arbeitspotenzial der Revierleiter drastisch verringern. Wenn ich in Rente gehe, nach zehn Jahren als Nationalparkleiter – nun, ich hoffe, dass man davon im Wald auch was sieht.

Nationalpark Grenzstein IconVor 25 Jahren beschloss der letzte DDR-Ministerrat die Gründung von fünf Nationalparks im Osten – einem in der Sächsischen Schweiz. Indem wir uns selbst Grenzen setzen, soll die Natur ein Stück Freiheit zurückerlangen. So der Plan. Geht er auf? Zum Kommentar einfach auf das Bild klicken!

 

Schild mit Weissagung der Cree-Indianer
Ein Schild, das nicht im Nationalpark steht, sondern auf dem gegenüberliegenden Elbufer im Landschaftsschutzgebiet am Gohrisch. Ob der Satz wirklich auf eine Weissagung der Cree-Indianer zurückgeht, ist historisch umstritten. Dennoch wurde er einer der Leitsätze der Naturschutzbewegung. (Foto: Hartmut Landgraf)

5 Kommentare zu „Konfrontationen bringen nichts“

  1. Der Nationalpark zerstört Natur.Sie zu erhalten ist die Aufgabe jedes einzelnen.Er zerstört Kulturen die 100. von Jahren so aktiv waren.Er tut Wild schießen.Für eine Ordnung die der Mensch selber bestimmt hat.Der Wald ist in Ordnung.Wir sollten aber mal über die Gipfelbücher reden.Der Charme lässt nie nach 😉

  2. danke erstmal beim MDR für die Werbung auf Ihre Seite zu kommen.Es gibt ja viele Sächsich-Böhmische Web Seiten, aber die hier wirkt sehr
    professionell.Ich(obwohl jetzt im Noden lebend) bewandere das Gebiet
    seit fast 60 Jahren.Große Freude hatte ich beim öffnen der Grenzen mit dem gleichzeitigen Frust, daß dies nicht für den Nationalpark galt.Ein Unding den Großen Zschand zu sperren, oder den Stimmersdorfer Weg
    (Ich halte mich trotzdem nicht dran!)
    Dieses Gebiet ist seit hunderten Jahren eine von Menschen für Menschen erschlossene Landschaft. Durch eine Strategie und Taktik der Beschilderung von Wanderwegen, werden automatisch die Bewegung des Durchschnittstouristen gelenkt.Und die wirklichen Spezialisten der Gegend verhalten sich ausnahmslos naturkonform.

    • Viele Sperrungen sind sinnvoll, aber die Teilung in sächsisch und tschechisch mit Grenzübergang an der Elbe und dann erst wieder dreimal dicht gedrängt um Hinterhermsdorf ist wirklich ein Unding. Man geht auf tschechischer Seite wenige Meter illegal auf sächsischer ein paar mehr und ist auf dem großen Zschandweg. Kletterwege auf halber Höhe sind (außerhalb der Brutzeit) erlaubt bis fast zum Grenzstein, der Zschandweg nicht. Idiotie! Es gibt auch für eine weite Tour nicht unbegrenzte Möglichkeiten, auf sächsischer Seite noch einige Zeltplätze, auf tschechischer genau einen in Mezni Louka, wo man so schwer hinkommt ohne denselben Weg zurückzugehen oder bis zur Elbe abzusteigen…

  3. Die ökologischen Schäden die durch händischen Holzernte und Rückepferde entstehen, sind übrigens bis zu sechs mal höher als durch einen Harvester. Während bei der manuellen Holzernte beim fällen und rücken immer eine Vielzahl anderer Bäume teils erheblich beschädigt werden, kann ein Harvester diese gezielt greifen und ablegen. Dazu kommt dass auch die Bodenschäden durch Harvester wesentlich geringer sind, auch wenn das für den Laien schwer vorstellbar ist.

    • Das ist pauschal nicht richtig, im steilen Gelände sind Pferde im Vorteil, deshalb wird das in Alpen in Wäldern in Steilgebieten so gehandhabt. Der Schaden am Baum mag höher sein, die Zerstörung der oft dünnen Bodenkrume auf dem Sandstein als geringer als bei einer Rückung mit Pferd darzustellen ist schon grober Unfug.

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