Gute Nachricht für hartgesottene Backpacker: Der Sachsenforst nimmt in den Wäldern bei Cunnersdorf die dritte Selbstversorgerhütte in Betrieb. Sie ist Bestandteil einer neuen Trekkingroute im Elbsandsteingebirge.
Der Rotstein gehört zu den wenigen Bergen in der Sächsischen Schweiz, die kaum jemand kennt. Links der Elbe versteckt sich die 457 Meter hohe Kuppe tief in den Wäldern zwischen Cunnersdorf und Rosenthal, knapp anderthalb Stunden Fußmarsch vom nächsten Ort entfernt. Der Stein habe einen richtigen Gipfelkopf, von dem man „über die Bäume hinweggucken konnte“, erinnert sich der Bad Schandauer Kartograf Rolf Böhm. Ob das mit den Bäumen noch stimmt, weiß er freilich nicht. Der Wanderkartenzeichner gehört zwar zu den Leuten, die im Elbsandsteingebirge am weitesten herumkommen. Aber am Rotstein war selbst er schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr – das letzte Mal vor zehn Jahren. Das Beispiel zeigt: der Berg ist wirklich – einsam.
Genau der richtige Ort für einen Typ Wanderer, der es etwas wilder mag und sich gern abseits vom Strom auf stillen Pfaden durch den Busch schlägt – mit Isomatte, Schlafsack und Vollverpflegung, möglichst tagelang. 2018 soll im Elbsandsteingebirge ein solcher Trail eröffnet werden – der sogenannte Forststeig, eine anspruchsvolle Trekkingroute. Entlang der geplanten Tour hat der Sachsenforst im vorigen Jahr bereits zwei erste Übernachtungsmöglichkeiten eingerichtet: einfachste Selbstversorgerhütten für Leute, die alles Nötige im Gepäck haben, vom Trinkwasser bis zum Klopapier. Jetzt geht Hütte Nummer drei in Betrieb – am Rotstein.
Ein Stück unterhalb der Bergkuppe hat die Neustädter Forstbehörde in den letzten Wochen eine ehemalige Jagdhütte zur Trekkinghütte umgebaut. Der Standard ist der gleiche wie in den anderen zwei Hütten im Taubenteich-Gebiet (Grenzbaude und Willys Ruh): ein Dach überm Kopf, simple Bettgestelle bzw. Bretterlagen ohne Matratzen, ein Ofen und Feuerholz, ein paar Tische und Stühle, Arbeitsplatte und Regenwassertank zum Geschirrspülen, Trockentoilette, Feuerlöscher. Kein Licht, kein Strom, kein Trinkwasser – keinerlei Komfort. Und genau so soll es auch sein, sagt Forstbezirkschef Uwe Borrmeister, der das Hüttenfeeling auch schon mal als eine „bessere Form des Boofens“ bezeichnet hat. „Wir wollen hier ein Stück Einsamkeit erlebbar machen und der Naturentfremdung entgegenwirken“, erklärte er am Donnerstag zur Eröffnung der neuen „Rotsteinhütte“ vor versammelten Journalisten. „Mal allein sein mit sich, die Dunkelheit im Wald erleben, an einem Ort ohne Zivilisationsgeräusche – sowas ist selten heute.“ Wald nicht nur als Rohstoffquelle zu begreifen und zu bewirtschaften, sondern auch als Erholungs- und Erlebnisraum für die Öffentlichkeit, das gehört zum Arbeitsauftrag jeder staatlichen Forstbehörde und wird oftmals mit dem Wort „Multifunktionalität“ beschrieben. Normalerweise konzentriert sich der betriebene Aufwand in den sächsischen Landesrevieren aber auf die Pflege und Unterhaltung von Wanderwegen, Aussichten oder Skiloipen – oder auf Umweltbildungsangebote. Abenteuer zu inszenieren, gehörte bislang nicht dazu.
„Was hier gemacht wird, geht über den bisherigen Standard hinaus“, kommentiert denn auch Nationalparkchef Dietrich Butter die Eröffnung der Rotsteinhütte. Die Nationalparkverwaltung ist als Naturschutzfachbehörde auch für die außerhalb des Nationalparks gelegenen Teile der Sächsischen Schweiz zuständig und somit in die Pläne involviert. Dass die Naturschützer als Förderer des Projekts auftreten, begründet vielleicht auch die Hoffnung, dass die geplante Trekkingroute zusammen mit der im Umfeld entstehenden Infrastruktur (z.B. Radwege, ÖPNV-Routen, Kneipen und Übernachtungsquartiere) ein wenig den touristischen Druck von den Kerngebieten des Nationalparks nehmen könnte. Das Naturschutzgebiet zieht jährlich rund 2,9 Millionen Besucher an. „In diesem Teil der Sächsischen Schweiz haben wir ein größeres touristisches Entwicklungspotential als im Nationalpark selber“, sagt Dietrich Butter. Die linkselbischen Teile des Gebirges gehören zwar zur sogenannten Nationalparkregion, sind aber als Landschaftsschutzgebiet vom Schutzstatus etwas niedriger eingestuft als der Nationalpark. Auch aus Sicht der Tourismusbranche lässt sich hier anscheinend ein Feld mit geringerem Konfliktpotenzial beackern: Tino Richter, Geschäftsführer des Tourismusverbands Sächsische Schweiz, begrüßt das Projekt als „gute Möglichkeit, ein neues Segment aufzubauen“.
Die geplante Trekkingroute soll ab 2018 links der Elbe rund 100 Kilometer weit durch die Wälder und bis hinüber nach Böhmen führen und dabei die schönsten und wichtigsten Bergrücken mitnehmen: Großer Zschirnstein, Katzstein, Tyssaer Wände, Schneeberg, Papststein, Gohrisch, Quirl. Im Groben sei die Route mit den tschechischen Kollegen bereits abgestimmt, bis zum Ende des Jahres soll laut Uwe Borrmeister auch die „Feinplanung“ abgeschlossen sein. Neben den bereits bestehenden Trekkinghütten wird es fernab von Siedlungen auch einfachste Biwakplätze im Wald geben, wo das Zelten und Übernachten erlaubt ist – gemeinsam mit der TU Dresden entwickelt der Sachsenforst dafür eine Art Wetterschutzhütte zum Schlafen. Außerdem könnte der Trail die beiden Zeltplätze in Ostrov und Leupoldishain tangieren.
Wie ihre zwei Schwestern bleibt die Rotsteinhütte nun auch bis zum Ende der Saison Mitte Oktober geöffnet – und zwar im Wortsinn: die Tür wird nicht verschlossen. Wer in der Hütte übernachten möchte, muss lediglich die Hüttenordnung einhalten und eine Unterhaltungsgebühr an den Sachsenforst entrichten – eine Anmeldung ist nicht erforderlich, Tickets gibt’s übers Internet oder bei einigen Verkaufsstellen im Raum Dresden/Sächsische Schweiz. So kann es freilich passieren, dass aus der erwarteten Einsamkeit unversehens eine gesellige Hüttenrunde wird. Aber auch das gehört beim Trekking ja irgendwie dazu. Die Besucherzahlen der beiden Trekkinghütten Willy´s Ruh und Grenzbaude sprechen für sich. Die Testphase im Vorjahr sei in jeder Hinsicht positiv verlaufen, sagt Forstbezirkschef Borrmeister. Verkaufte Hüttentickets: 143. Probleme: Null.
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