Bhutan, Nepal, Tibet – in manchen entlegenen Winkeln der Welt ist schon das Hinfliegen ein Abenteuer. Der Dresdner Steffen Wetzel entwickelte dabei eine höchst ungewöhnliche Sammelleidenschaft.
Den Landeanflug auf Paro (>>> zum YouTube-Video) wird Steffen Wetzel niemals vergessen. Der einzige internationale Airport des Himalaya-Königreichs Bhutan gehört zu den gefährlichsten Flughäfen der Welt. Nur erfahrene Piloten dürfen ihn ansteuern – auf den letzten Kilometern müssen sie ihre Maschinen buchstäblich von Hand in ein verwinkeltes Bergtal einfädeln, ohne Instrumenten-Leitsystem. „Kurz vor Schluss lenken die nochmal ein, sodass die Tragfläche fast schon den Boden berührt, und dann geht´s haarscharf über die Dächer“, erinnert sich Wetzel. „Als wir endlich unten waren, hab ich vor Freude die Landebahn geküsst.“
Geschichten dieser Art kann der Dresdner einige erzählen. Wetzel ist auch schon in anderen abenteuerlichen Gegenden rumgeflogen – in Nepal und Tibet, in Burma und Kamtschatka. Dass er dabei mitunter kein allzu gutes Bauchgefühl hatte, leuchtet nicht nur routinierten Globetrottern ein, die das Wunder der zweiten Geburt von berüchtigten Angst-Pisten wie etwa jener des Flughafens Lukla in Nepal aus dem eigenen Erleben kennen – die Flugzeuge landen bergwärts und müssen rechtzeitig vor den Felsen zum Stehen kommen. Wetzel aber gehört zu den Menschen, die sich generell beklommen fühlen beim Fliegen – selbst im vergleichsweise unspektakulären Luftraum über Deutschland. „Probleme habe ich meistens beim Starten und Landen. Ich nehme Globulis zum Beruhigen, die helfen aber nicht wirklich.“
Paro oder Lukla wären ohnehin wohl viel zu schwere Fälle für die homöopathische Medizin, dort würde man nur mit einer ordentlichen Dosis Valium entspannt runterkommen. Trotz des mulmigen Gefühls jettet Wetzel aber gerne und oft in die entlegensten Winkel der Welt. Das hängt mit seinem Beruf zusammen: Der Mann arbeitet beim Reiseunternehmen Diamir, war früher Outdoorguide und Tourenführer und ist heute als Leiter der Asien- und Ozeanienabteilung immer wieder mal im fernen Osten unterwegs, um für den Erlebnis- und Abenteueranbieter neue Reiseziele aufzutun. Und vielleicht ist es gerade dieser außergewöhnlichen Konstellation aus Fernweh und Flugangst geschuldet, dass Steffen Wetzel voller Begeisterung eine kuriose Form der Stressbewältigung für sich entdeckt hat: Er sammelt, unverblümt gesagt – Kotztüten.
Über 300 Stück aus aller Herren Länder hat der Reiseexperte schon zusammengetragen, Mitbringsel von seinen eigenen Flügen oder von Bekannten und Kollegen, die von seiner Sammelleidenschaft wissen. Aufgespannt auf einer Wäscheleine könnte man Wetzels Papierschätze inzwischen fast komplett um eine Boeing 747 wickeln – längsseits. Fragt man ihn aber nach der für Außenstehende zunächst mal schwer erkennbaren Faszination seines Hobbys, ist er um die Antwort nicht verlegen. Es ist wie so oft der Reiz des Besonderen im Speziellen – sprich: Wetzel sucht nicht unbedingt nach den Allerweltstüten von Lufthansa oder British Airways, sondern nach möglichst exotischen Exemplaren.
Besonders stolz ist er zum Beispiel auf eine Tüte mit dem Aufdruck „Vanuatu“, Fluglinie des gleichnamigen Ministaats im Südpazifik. „Die glücklichsten Menschen der Erde leben auf diesen Inseln“, behauptet der Dresdner. „Die Leute haben keine Uhren und kein Zeitgefühl.“ Immerhin: Die Existenz der Tüte beweist, dass wohl auch auf Vanuatu das Glück nicht grenzenlos ist. Auch Fluglinien mit so exotischen Namen wie „Buddha-Air“ (Nepal) und „Amaszonas“ (Bolivien) gehören zur Sammlung. Ganz so absonderlich ist Wetzels Hobby übrigens gar nicht: Im Internet findet man eine erstaunlich große Zahl von Bildergalerien und sogar Tauschbörsen gleichartiger Pretiosen – Webseiten mit so klangvollen wie bezeichnenden Adressen wie „vomitorium.net“. Manche Sammler machen für ihre Leidenschaft sogar übel viel Geld locker – die begehrtesten und teuersten Kotztüten am Markt sind laut Wetzel jene der US-Präsidentenmaschine Air Force One und von den Space-Shuttle-Missionen.
Solche Unikate hat Steffen Wetzel leider nicht in seiner Sammlung. Seine schönsten Tüten sind auch nicht fein säuberlich in Alben geklebt oder eingerahmt – alle liegen lose durcheinander in Kartons. „Es ist ja nur ein Hobby, ich will das nicht zu ernst nehmen“, sagt Wetzel lachend. Trotzdem nimmt er sich manchmal in einer stillen Minute die Zeit, seine gesammelten Schätze durchzublättern. Vielleicht träumt er dabei von seiner nächsten großen Reise. Und auch wenn die Sammlung anderes vermuten ließe, die Sache mit der Flugangst habe er gut unter Kontrolle, sagt der Dresdner. „Ich habe noch nie eine Tüte gebraucht – obwohl es ein paar Mal ganz knapp war.“
Abflug ins Abenteuer
Wer gedanklich gerade seine erste Weltreise oder zumindest den nächsten Abenteuerurlaub plant, kann sich dafür am Sonnabend und Sonntag (01./02.10.2016) bei den 14. Globetrottertagen in den Deutschen Werkstätten Hellerau jede Menge Tipps und Inspirationen holen.
Und wer mit offenen Augen durch diese Erlebnisschau des Fernwehs spaziert, stößt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in einer der Hallen auf Steffen Wetzels Kotztüten. Das Gefühl, das man vom Anschauen dieser originellen Sammlung bekommt, ist gar kein schlechtes. Irgendwie haben die bunten Papierbeutel ja auch was mit Abenteuer zu tun. Am besten lässt sich das wohl mit einem Satz der TUI-Ferienfliegerflotte in Worte fassen. Auf deren Tüten steht: „Take it with a smile“ – nimm´s mit einem Lächeln!
Alle Infos: www.globetrottertage.de
jaaa, ihr lebt noch, willkommen im Land des Taschentuchgebirges. Es ist schon erstaunlich, wieviel Mühe wir uns mit uns selber geben, damit alles schön reinlich und appetitlich im unmittelbaren Umfeld ist. Nur dort, wo es keiner sieht, oder wo es im Beisein „gleichge(un)sinnter Gefährten cool wirkt, muten wir den betroffenen Ureinwohnern des Nationalparkes unseren Müll frei nach dem Motto, ist ja eh alles bezahlt, zu.
O.k. unser Müll ist wirklich beim kaufen schon bezahlt, aber die häusliche Mülltonne läuft sicher nicht vom Wandermüll über.
Und vielleicht ist es eine erträgliche Alternative, ähnlich der Tüten im Flieger oder der Hundetoilettentüten im Stadtpark, mit Werbung gesponserte Tüten (vorzugsweise von lokalen Gaststätten, Geschäften) an Parkplätzen, Bahnhöfen usw. bereit zu halten. Sicher ist so eine Tüte auch Müll und Sauberkeitssinn erzeugt Sie deswegen nicht automatisch, aber den einen oder anderen macht sie vielleicht auf die Thematik aufmerksam.