Daniel Miscik auf dem Dschungel-Trip: Vom Elbsandsteingebirge in die Wildnis am Amazonas – er und seine Freunde haben es gemacht. Über ein verrücktes Schlauchbootabenteuer im größten Urwald der Erde – 6.000 Meilen weit von der Porschdorfer Einkehr.
Drogenschmuggler. Flusspiraten. Indianer. Krokodile. Ein uferloser, gefährlicher Dschungel. Eine Welt, in der man als Europäer schnell am Hitzschlag, einem Schlangenbiss oder einer Überdosis Cachaça zugrunde geht. Und mittendrin in dieser feuchtwarmen Tropenhölle ein munteres tschechisches Herren-Quartett aus dem Elbsandsteingebirge. Vier Männer aus Böhmisch Kamnitz und Decin, die den Wahnsinnsplan aushecken, alleine durch den größten Urwald der Erde zu paddeln – den Amazonas hinunter, im Schlauchboot.
Die Geschichte, die Daniel Miscik erzählt, hört sich so aberwitzig an, dass man für einen Moment unwillkürlich nach der Spule Seemannsgarn auf dem Tisch sucht. Aber da ist keine. Daniel lacht. Er, sein Bruder und zwei Freunde haben das tatsächlich erlebt. Vor ein paar Monaten. Als sie Ende Februar nach Wochen unter der heißen Sonne Brasiliens heimkehren – allesamt so dunkel wie böhmisches Schwarzbier – liegt ein Abenteuer hinter ihnen, wie es sich Karl May nicht besser hätte ausdenken können. Auf der Facebookseite Expedice Amazonka findet man die Beweise der Tour. Und Daniel sitzt gelassen am Tisch in der Porschdorfer Einkehr, wo er im normalen Leben als Kellner arbeitet, strahlt übers ganze, runde Gesicht und berichtet von einer Welt 6000 Meilen weit weg vom Alltag. Er erzählt von schwarzem Wasser und Piranhas und Tagen, die so träge wie die Glut in einem Schmelzofen dahinfließen. Anfang Januar brechen sie auf. Von Prag über Rom nach Tabatinga – einer mittelgroßen Stadt ganz im Westen Brasiliens, im berüchtigten Dreiländereck zwischen Kolumbien und Peru.
„Der Plan war, dass wir von dort in vier Wochen die 1600 Kilometer nach Manaus paddeln“, sagt der Tscheche. Ein ganzes Jahr lang haben er und seine Freunde für diesen Kraftakt trainiert – auf der Elbe. Aber neben dem Amazonas ist die Elbe kaum mehr als ein hübscher Bach. Übersichtlich, zahm und an den Ufern kultiviert – Krokodile wurden hier seit dem Tertiär nicht mehr gesehen. Das Training kräftigt zwar die Muskeln, aber nicht die Leidensfähigkeit der Bootscrew. Im tropischen Dschungel können Pläne schnell ungewollte Wendungen nehmen. Tagsüber heizt sich der Urwald bis zu 45 Grad im Schatten auf. Die Luft geht den Männern wie Blei durch die Lungen, sie gieren nach Abkühlung und Erfrischung wie Fieberkranke – müssen aber aufpassen, wo sie die erhitzen Füße und Hände hinstecken. Der Fluss ist undurchsichtig wie Milchkaffee. Überall – nicht nur im Urwald – lauern tausend Gefahren. Zunächst sieht es nicht gut aus für die Expedition.
Im Paradies herrscht Krieg
Als die Schlauchbootmannschaft in Tabatinga aufs Wasser geht, wird sie von einer Polizeieskorte sofort zurück an Land gebracht – Ausländer dürfen sich in der Umgebung nicht frei bewegen, denn in der Region herrscht ein regelrechter Krieg mit der kolumbianischen Drogen-Mafia, deren Helfer immer wieder auf brasilianisches Hoheitsgebiet vorstoßen. Die Gegend ist militärisches Sperrgebiet. Weiter flussabwärts soll es zudem Piraten geben. Gerüchte von Überfällen auf Bootsreisende machen die Runde, und im Dschungel verliert sich so manche Spur. Andere Probleme erscheinen daneben fast schon banal: Allein die Trinkwasserbeschaffung erfordert höchste Umsicht, sagt Daniel. Die Expedition wird von einer Firma mit einem speziellen Wasserfilter ausgerüstet, der gefährliche Keime angeblich binnen 90 Sekunden mithilfe von UV-Licht eliminieren soll. Ob das Hightech-Gerät auch im Amazonas-Schlamm funktioniert, kann aber niemand vorher sagen. Außerdem gerät ein eigens für die Reise konstruiertes Zeltdach auf dem Flug nach Brasilien auf Abwege und kommt nie in Tabatinga an – sodass die Freunde im Boot keinen Schatten haben.
Der Start droht zum Disaster zu werden. Nichts scheint vor Ort so zu funktionieren wie es soll, und über all diesen Rückschlägen verstreichen die ersten Tage. Schließlich fassen die Tschechen den beherzten und einzig vernünftigen Entschluss: Sie begraben ihre ursprünglichen Pläne und reisen mit dem Passagierdampfer nach Manaus – das Schlauchboot im Gepäck. Dort in der Mitte des Amazonasbeckens soll es politisch ruhiger sein, südlich der Metropole gibt es zudem noch fast unberührte Wildnis und Indianerreservate, in die kaum jemals ein Fremder gelangt. In Manaus lernen sie einen Survival-Guide aus Guyana kennen, der ihnen die nötigen Papiere besorgt. Gemeinsam nehmen sie einen zweiten Anlauf auf den größten Urwald der Erde – diesmal auf zwei Nebenflüssen des Amazonas.
Piranhas sind zum Essen da
„Es war die totale, wilde Natur“, erzählt Daniel. „Keine Leute, keine Infrastruktur, nur alle 100 Kilometer mal ein kleines Indianerdorf.“ Die Freunde treiben Tage und Wochen alleine durch einen Garten Eden voller exotischer Pflanzen und Tiere. Die Zeit verliert jede Bedeutung. Orchideen. Tukane. Süßwasserdelfine. Sie fangen Piranhas, um sie abends überm Lagerfeuer zu grillen. „Ein super Fleisch“, sagt der Kellner. Nachts schlafen sie unter freiem Himmel in der Hängematte, nur mit einer Zeltbahn gegen den Regen geschützt – um sich herum die Geräusche des Dschungels. Tags sind sie bis zu zehn Stunden auf dem Wasser. Riesige Krokodile tauchen neben dem Boot auf – bleiben aber auf Abstand. Eine fremde, urzeitartige Wildnis ohne Anfang und Ende. An den Lagerplätzen bewegen sie sich mit äußerster Vorsicht. Jeden Morgen werden die Sachen gründlich ausgeschüttelt, bevor es weitergeht. Angst vor dem Dschungel habe er keine gehabt, sagt Daniel. Am meisten macht ihm die ungewohnte Hitze zu schaffen: „Du hast ständig einen heißen Kopf, verbrennst dir im Boot überall die Finger und trinkst mehr als zehn Liter Wasser am Tag. Und wenn sich nachts die Temperatur auf 28 Grad abkühlt, dann frierst du und wünscht dir einen Pullover.“ Trotzdem will er schon wieder in die Tropen, nächstes Jahr auf den Sambesi in Afrika.
Daniel Miscik kommt nicht unbedingt wie der harte Dschungel-Typ rüber. Der Tscheche ist ein Kellner, wie er im Buche steht – fast eine Spur zu korrekt und liebenswürdig. Aber er hat es anscheinend faustdick hinter den Ohren. Wer mit ihm redet, merkt schnell, dass hinter den ovalen Brillengläsern ein Schelm und ein Abenteurer nur darauf warten, noch eine ganze Welt zu entdecken. Daniel ist 40 und insgesamt gut beieinander. In einem handlichen weißen Atlas hat er mit Klebezetteln seine sehnlichsten Träume markiert: Jordanien. Die Mongolei. Die Antarktis. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er seinem Job in der Porschdorfer Einkehr wieder mal für ein paar Wochen den Rücken kehrt.
Veranstaltungstipp
Am 17. November 2017 geben Daniel Miscik und seine Freunde in der Porschdorfer Einkehr die Geschichten ihres Amazonas-Abenteuers zum Besten. Beginn: 19.30 Uhr. Karten können ab 10. Oktober im Gasthaus bestellt werden: Tel. 035022-50978. Preis: 8,00 EUR.
Expedice Amazonka bei Facebook >>> www.facebook.com/expedice.amazonka
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