Leoparden-Look am Okawango

Mann mit Kamera vor Wüstenlandschaft
Jörg Ehrlich hat das Reisen zu seinem Beruf gemacht - als Fotograf und als Mitgründer und Geschäftsführer des Dresdner Abenteuerveranstalters DIAMIR Erlebnisreisen. (Foto: Petra Selbertinger)

Auge in Auge mit großen Tieren – für den Dresdner Jörg Ehrlich sind das die schönsten Momente im Leben. Wie ein Fußballreporter lauert der Naturfotograf überall auf der Welt auf den ganz großen Schuss. Eine wahre Geschichte über Elefant, Tiger & Co.

Jörg Ehrlich sieht aus wie jemand, der gerade aus dem Urlaub heimkommt – braungebrannt, lässiger Sweater, entspanntes Lächeln. Die Ruhe in Person. In Wirklichkeit rennt ihm die Zeit davon. Ein schlichtes, überschaubares Büro am Stadtrand von Dresden – kaum Luft für irgendwas. Auch nicht für lange Gespräche. Kollegen warten auf Entscheidungen, vor einer halben Stunde hätte er sich in eine Telefonkonferenz einschalten müssen, stattdessen nehme ich ihn in Beschlag, wir reden über Brennweiten und Lichtverhältnisse – und über Leoparden. Einer sitzt stolz überm Schreibtisch und schaut auf uns herab. Hochglanz. Der Kalender für 2018. Sonderedition. Wir haben September 2017. Auf dem Tisch liegen Prospekte und Reisekataloge für die nächste Saison. Alaska. Namibia. Tansania. Gedankenspiele. Jörg Ehrlich muss die Zukunft planen. Eine Firma leiten. Der Zeit voraus sein. Aufpassen, dass sie ihm nicht davonrennt.

Zebras im Detail, Damaraland
Charaktere der Savanne. Zebras im Damaraland, Namibia. (Foto: Jörg Ehrlich)

Vielleicht braucht der 47-Jährige ein Motiv, um den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen. Und zwar ein richtig gutes. Hat er Glück und findet eins, ist plötzlich auch die Zeit dafür da – oder Ehrlich kommt im Augenblick an, wie man es nimmt. So etwas passiert ihm meistens auf Reisen. Weit weg vom Schreibtisch – irgendwo in der Wildnis. In der Serengeti zum Beispiel. Im Packeis vor Spitzbergen. Oder Auge in Auge mit großen Tieren. Jörg Ehrlich hat solche Erlebnisse zu seinem Beruf gemacht. Er sitzt in der Chefetage des Reiseveranstalters DIAMIR, ist beruflich viel unterwegs, führt selbst Touren in den entferntesten Winkeln der Welt. Aber es gibt diese besonderen Momente in seinem Leben, wo das alles in den Hintergrund tritt und unwichtig wird, und Jörg Ehrlich nur noch eins ist – Fotograf.

Gepardenprotrait
In Namibia gibt es zahlreiche Tierfarmen und Geparden-Schutzorganisationen. Diese bieten auch Übernachtungsmöglichkeiten an, um die gefleckten Raubkatzen länger beobachten zu können. (Foto: Jörg Ehrlich)
Chamäleon auf Sanddüne
Ein wahrer Verwandlungskünstler: Das Wüsten-Chamäleon passt sich der Umgebung an. Dennoch wird es von aufmerksamen Beobachtern entdeckt – hier im Sandmeer. (Foto: Jörg Ehrlich)

So war das auch mit seinem Kalender-Leoparden. Auf Safari am Okawango im afrikanischen Botswana: Ehrlich hockt in seinem Jeep in der brütend heißen Savanne und starrt geduldig einen Baum an, drei Stunden lang. Davor tummelt sich – unbekümmert über die Gegenwart des Menschen – ein junger Leopard, verspielt und tapsig, noch ein bisschen grün hinter den Ohren, ein gefundenes Fressen für einen Tierfotografen. Tollpatschig versucht der Kleine unmittelbar vor Jörg Ehrlichs Teleobjektiv einer Antilope nachzustellen – doch die Antilope lässt sich nicht beeindrucken, gibt fauchend den Chef, und die halbstarke Katze flüchtet sich mit einem erschreckten Satz auf den Baum. Dann kommt der Augenblick, auf den Jörg Ehrlich die ganze Zeit gewartet hat. Abenddämmerung. Plötzlich stimmt alles: das Motiv, die Bewegung, die Stimmung, das Licht, die Schärfe – der Fotograf drückt ab. „Unter 10.000 Bildern gibt es nur eins oder zwei, wo wirklich alles so zusammenpasst“, erklärt er.

Der Mann hat im Grunde alles, was nötig ist, um solche Momente einzufangen. Jörg Ehrlichs komplette Fotoausrüstung würde vermutlich kaum auf einen Wasserbüffel passen. Sein größtes Objektiv hat den Durchmesser einer ausgewachsenen Feldhaubitze und ist genauso lang wie sein 15 Monate alter Sohn. Doch in der Tierfotografie besteht die Schwierigkeit darin, dass die Motive nicht warten bis alles beisammen ist – dem Leopard ist es egal, ob das Licht gerade hübsch zu seinem Fell passt, alles passiert im Bruchteil von Sekunden. Das Bild ist im Kasten – oder eben nicht. „Das ist wie bei einem Sportreporter, der Fotos von einem Fußballspiel macht“, sagt Ehrlich. „Du weißt vorher nicht, was in den 90 Minuten geschieht, darfst aber kein Foul und keinen Kopfball verpassen.“ Dabei sind Instinkt und Erfahrung viel wichtiger als eine furchteinflößend lange Brennweite. Letzteres schadet natürlich nicht.

Wüste mit toten Bäumen
Die abgestorbenen Akazienbäume in der Namib-Wüste bilden eine surreale Szenerie. (Foto: Jörg Ehrlich)
Eisbär vor Gletscherlandschaft
Eine Königin der Arktis in ihrem Thronsaal: Eisbärin im Liefdefjord, Spitzbergen. (Foto: Jörg Ehrlich)

Jörg Ehrlich ist seit mehr als 20 Jahren mit der Kamera unterwegs. Er kommt übers Bergsteigen zur Fotografie. In den 90er-Jahren auch oberhalb von 8000 Metern – 1995 steht er auf dem Broad Peak (8051m). Er hält Expeditionsvorträge, macht Fotos für Sponsoren und Zeitschriften – später für die eigene Firma, für Messen und Reisekataloge. Die Fotoleidenschaft zieht ihn bald immer öfter dahin, wo es eher flach zugeht: in die Steppengebiete und Wüsten Afrikas. Zu den „Big Five“, wie Großwildjäger sie nennen – zu Löwe, Leopard, Nashorn, Büffel und Elefant. Aber auch die Könige der Arktis hatte Ehrlich schon vor der Linse: Eisbär und Wal. Mit den Jahren wird er immer ehrgeiziger und anspruchsvoller – doch seine Suche nach Motiven ist nicht unbedingt eine Jagd nach dem Unbekannten. Ehrlich reizt es auch, Dinge in einem neuen Licht zu zeigen, die andere für längst „totfotografiert“ halten: Monument Valley, den Antelope Canyon, die Victoria-Fälle – oder die Sächsische Schweiz. Aber, wenn ihm ein Bild wie der junge Leopard am Okawango gelingt, dann freut er sich noch Jahre später darüber. Wie über einen Achttausender. Es behält seinen Wert. Und auf einer unbewussten, tieferen Ebene besteht dieser vielleicht nur darin, dass Jörg Ehrlich weiß, dass er genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Weit weg von Telefonkonferenzen und Geschäftsplänen. Und vollkommen eins mit dem Augenblick.

Das Abenteuer vor der Linse

Wer schon immer mal gerne selbst auf eine Fotosafari oder Weltreise gehen wollte, kann sich dafür nächste Woche Sonnabend und Sonntag (30.09./01.10.2017) bei den 15. Globetrottertagen in den Deutschen Werkstätten Hellerau jede Menge Tipps und Inspirationen holen.

Ein zentraler Teil dieser Erlebnisschau des Fernwehs ist eine Ausstellung von Jörg Ehrlich. Im besonderen Fokus der Globetrottertage steht diesmal Kanada – als Fotomotiv und Reiseland.

Alle Infos: www.globetrottertage.de
Zu Jörg Ehrlichs Fotoseite: www.joerg-ehrlich.de

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