Robert Leistner – Sorge um die Zukunft des Klettersports

Portraitfoto Robert Leistner
Robert Leistner gehört zu den besten Kletterern in Sachsen. Der Dresdner (36) betreibt zusammen mit Geschäftspartnern das "Mandala", eine in der Szene beliebte Boulderhalle in der Dresdner Neustadt. Außerdem hat er sich als Routenschrauber bei Kletterwettkämpfen einen Namen gemacht. (Foto: Hartmut Landgraf)

Spitzenkletterer Robert Leistner über die schönen und hässlichen Seiten des Sports – und über die jüngsten Entwicklungen im Elbsandsteingebirge.

Wer Robert Leistner beim Klettern zuschaut, versteht die Welt nicht mehr. Scheinbar mühelos und leicht wie ein Tänzer steigt er im Elbsandstein sagenhaft glatte Wände empor. Eine innere Leichtigkeit, die dem sächsischen Bergsport insgesamt immer mehr abhanden kommt, wie der Dresdner fürchtet. Ein Gespräch über Zerreißproben – draußen am Fels und in der Klettergemeinschaft.

Robert, wie deine letzte schwere Erstbegehung im Elbsandstein mal heißen wird, stand schon seit Langem fest: „Müde bin ich, geh zur Ruh“.

Genau.

Wann ist es soweit?

(Lacht). Es gab ja schon eine Linie, die ich als letztes großes Projekt für mich gesehen habe. Die rechte Talkante an der Friensteinwarte. Das war 2017. Ich habe sie dann aber „Scheherazade“ genannt.

Warum das?

Eine Kante ist für mich etwas Weibliches. Kanten sind feinfühliger und sensibler, und genauso klettert man sie auch. Der Name Scheherazade hatte etwas Königliches und Märchenhaftes, wie in Tausendundeiner Nacht. Ich fand, das ist eine tolle Geschichte…

Aber das letzte Projekt war es nicht und „Müde bin ich…“ sucht noch seinen Gipfel.

Ja, so ganz abgeschlossen habe ich noch nicht. Aber ich bin auch nicht mehr so heiß drauf wie früher und suche wie verrückt nach neuen Erstbegehungen. Weil ich mich schon sehr zufrieden fühle, mit dem, was in der Sächsischen Schweiz für mich möglich war.

Damals nach der Erstbegehung von Circus Maximus am Müllerstein (2012, XIb, A.d. R.) hattest du gesagt, du wüsstest nicht, womit du diese Route im Elbsandstein noch toppen kannst.

Weil das so eine fantastische Linie war. Eine Riesenmauer – 60 Meter glatte Wand. Sowas findet man im Elbsandstein ja nicht so oft.

Kletterer an sagenhaft glatter Felswand
Robert Leistner an einem Großprojekt im Elbsandstein: 2012 gelingt ihm hier der Durchstieg an der sagenhaften Nordwand der Müllersteins („Fliegende Windmühle“, XIb). Im selben Jahr setzt er noch eins drauf und klettert an dieser Wand seine bis dato schwerste Erstbegehung in den sächsischen Felsen: „Circus Maximus“, Schwierigkeit XIb. (Foto: Helmut Schulze)

Erreichtes toppen zu wollen, ist etwas nach außen Gerichtetes, etwas, das Erfolg und Anerkennung sucht. Was ist mit Klettererlebnissen, die nichts mit diesem Höher, Besser, Weiter zu tun haben – die aber innen drin etwas bewirken? Suchst du danach?

Wie meinst du das?

Mut und Charakterstärke zum Beispiel, Leichtigkeit – vielleicht auch Gelassenheit.

Nicht alles, was ich am Klettern genieße, ist leistungsorientiert. Zum Beispiel, wenn ich mit meinem Sohn unterwegs bin. Seitdem er laufen kann, klettern wir regelmäßig miteinander. Und jetzt ist er schon neun und hat riesige Entwicklungssprünge gemacht. Ich empfinde das als eine ganz große Bereicherung für mich, obwohl es überhaupt nichts mit meinem Leistungsbereich zu tun hat. Aber wenn man sich selbst zurücknimmt und dem Team unterordnet, kann man als Team auch ganz fantastische Abenteuer erleben.

Das heißt, du entdeckst erst durch deinen Sohn das Schöne am Seilschaftsgedanken?

Nein, das hatte ich schon vorher entdeckt. Aber ich kann es jetzt auf einem ganz anderen Level genauso stark genießen und mich eher über die Leistungen eines anderen freuen. Wenn ich für mich klettere, hab ich natürlich als Allererstes meine eigene Leistung im Kopf. Aber wenn ich mit meinem Sohn zusammen gehe, richte ich alles nach ihm aus – und das gelingt mir gut.

Auch dabei gab´s bestimmt das eine oder andere Highlight…

Eine Tour werde ich nie vergessen – da war er fünf. Wir haben den Lorenztürmerweg am Turm am Verborgenen Horn (Schmilkaer Gebiet, VIIb, A.d.R.) gemacht. Ein Freund hatte mich die 60 Meter bis hoch auf den Gipfel gesichert, dann meinen Sohn eingebunden, und eine Viertelstunde später guckte der fröhlich aus dem Schulterriss oben raus. „Hallo Papa!“ Er war dort völlig selbstständig hochgeklettert. Letztes Wochenende haben wir „Shadowfighter“ zusammen gemacht – eine IXb. Das ist krass. Er hat übelsten Spaß dran und auch extremen Ehrgeiz. Im achten Grad lockst du ihn schon nicht mehr hervor. Umso schöner für mich. Jetzt können wir schon an ganz große Linien heran.

In den letzten Jahren konnte man dich allerdings viel öfter an kleinen Boulderblöcken als an großen Linien beobachten. Gehst du inzwischen lieber bouldern als klettern?

Für mich haben beide Spielarten des Kletterns nicht zwangsläufig etwas miteinander zu tun. Fürs Bouldern muss ich mich ganz anders vorbereiten. Schon angefangen mit der Haut, damit das funktioniert am Fels. Da muss ich mich in Sachsen erstmal an das Klettern ohne Chalk gewöhnen, und es dauert eine Weile, bis sie so hart und derb wird, dass man schwer klettern kann. Beim Bouldern muss man dafür sehr viele Sachen mit maximalem Kraftaufwand machen. Wenige Züge, aber übelst derbe Züge. Beim Klettern versucht man eher, alles mit Leichtigkeit zu machen, damit man mehrere Züge hintereinander schafft. Ich hab Phasen, wo ich mich komplett aufs Bouldern konzentriere – und dann wieder komplett nur aufs Klettern. Und ich kann überhaupt nicht sagen, was mir besser gefällt.

Robert Leistner live beim Hohnsteiner Bergsommerabend!

In seinem Vortrag „Am Sandstein in Sachsen und Böhmen“ berichtet er über seine klettersportlichen Pionierleistungen und stellt sich im Interview den Fragen zur Gegenwart und Zukunft des Felskletterns.

Freitag, 5. Juli, Max-Jacob-Theater Hohnstein, Beginn: 20:00 Uhr, Ticket: 15,00 EUR

Das ganze Programm des Hohnsteiner Bergsommerabends >>> hier geht´s zur Vorschau

Beim Bouldern geht´s um die Leistung, um die Frage „Was schaffe ich“…
Daran orientiere ich mich aber auch beim Klettern in der Sächsischen Schweiz. Wenn ich mit meinem Sohn unterwegs bin, ist das etwas anderes, dann ist das Genussklettern…

Immerhin in Neuner-Routen…

Meine eigenen Ziele gehe ich aber sehr leistungsorientiert an.

Welche Rolle spielt das Ego für dich – oder überhaupt im Klettersport? Wie wichtig sind Beifall und Anerkennung?

Ich will es mal so sagen: Wenn man wie ich Sponsoren hat, erwarten die natürlich, dass man in irgendeiner Weise auch öffentlichkeitswirksam ist. In Form von Videos oder Fotos. Und wenn man was Tolles geschafft hat, bekommt man dafür auf die Schulter geklopft – das ist natürlich auch schön und fühlt sich gut an. Anerkennung für eine erbrachte Leistung genieße ich. Das bessert mein Ego auf. Ich glaube, das ist nichts Unmenschliches. Dieser Wunsch nach Anerkennung ist in jedem von uns verankert. Und man kann auf ganz verschiedene Art und Weise Anerkennung erlangen. Im Beruf. In der Familie. Vielleicht auch durch Sport. Mancher vielleicht sogar vorm Computer bei irgendeinem Videospiel. Die Frage ist für mich, ob ich etwas mache, das halt meinem Ego guttut – oder ob ich es WEGEN des Egos mache!

Wenn man sich bei Facebook so umschaut, könnte man mitunter letzteres vermuten.

Klettersport lebt ja von ganz vielen kleinen Erfolgen. So gesehen hat Klettern also auch immer viel zum Teilen und Posten – auf Facebook und in anderen sozialen Netzwerken. Ich kenne mich aber auch ein bisschen mit Yoga aus und verfolge, wie Leute medial damit umgehen – und was sie darüber posten. Das ist jedenfalls nicht weniger. Ich glaube, die sozialen Medien bringen es einfach mit sich, dass sich Menschen heute nicht nur in ihrem Freundeskreis über persönliche Erlebnisse und Erfolge austauschen, sondern auch außerhalb davon. Das ist keine besondere Eigenart von Kletterern.

Bei denen sorgt der Wunsch nach Be-Achtung allerdings gerade wieder heftig für Streit… Im Bielatal haben Leute heimlich Sicherungsringe aus Felsen entfernt. Unlängst erst waren dort alte Gräben in der Kletterszene aufgerissen: an der Johanniswacht. Es ging um ein begrenztes Projekt mit besser abgesicherten Routen, das nach vielem Für und Wider vom Sächsischen Bergsteigerbund durchgesetzt wurde. Nach einer Mehrheitsentscheidung. Offenbar also ein Sabotage-Akt. Was hältst du von dieser ganzen Entwicklung?

Das ist ein Punkt, über den ich ganz viel nachgedacht habe in den letzten Jahren. Ich finde es sehr schade, dass es keine wirkliche Entwicklung in diesen Fragen gibt – sondern nur verhärtete Fronten. Was mir bei der ganzen Diskussion um den hiesigen Klettersport fehlt, ist die Anerkennung untereinander. Es wird zum Teil sehr narzisstisch davon ausgegangen, dass die eigene Spielart die allerbeste ist. Durch so eine Haltung entstehen Kriege auf der Welt, Hungersnöte, Wüsten. So wird man niemals zu einer Gemeinschaft kommen. Und genau das fehlt uns momentan in Sachsen. Gerade, wer die hiesige Klettertradition als etwas Tolles und Schützenswertes empfindet, sollte solche Aktionen verurteilen.

Kletterer an einem Sicherungsring in der Felswand, darunter saugende Tiefe.
Hat noch immer viel Freude am sächsischen Sandstein: Robert Leistner klettert „Scheherazade“ (Xc, 2017) an der Friensteinwarte. (Foto: Fabian Fischer)

Weil es dem Ruf der Tradition schadet?

Dem Ruf des Elbsandsteingebirges insgesamt. Denn das, was von diesen Konflikten da draußen ankommt, ist: Hier versteht sich keiner, hier streiten sich alle. Hier werden Sicherungspunkte angesägt, sodass du dich nicht darauf verlassen kannst, ob der Ring, den du einhängen willst, hält oder nicht.

Schade ums Gebirge.

Ja, denn eigentlich ist die Sächsische Schweiz ein fantastischer Ort zum Klettern. Schon das Ankommen ist einmalig. Sich in so einer monumentalen Felslandschaft zu bewegen. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich unter dem Bloßstock stehe und staune, wie hoch das ist, wie abweisend die Wände aussehen. Oder am Rokokoturm – da haben wir letztens gebooft – diese gigantischen Linien, die einen dort umgeben. Das sind Weltklasselinien. Dann finde ich es hier auch extrem vielseitig: Die Felsen sind ganz verschieden, schon von der Farbe her und von den Strukturen. Mir gefällt auch dieses Mutige am sächsischen Klettern, die psychische Belastung. Bis hin zu den Traditionen. Gemeinsam auf einen schönen Gipfel hochsteigen und sich einschreiben. Das alles lässt sich mit gegenseitigem Respekt viel besser bewahren und vermitteln. Toleranz ist immer ein Geben und Nehmen. Sonst geht alles verloren.

Gespräch: Hartmut Landgraf

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1 Kommentar zu Robert Leistner – Sorge um die Zukunft des Klettersports

  1. Ich komme gerade von Deinem super Vortrag im Rahmen des Bergsichtenfestivals und möchte mich für die vielen Eindrücke aber auch Botschaften bedanken. Insbesondere die für die AkzepTanz der Verschiedenheit am Ende des Vortrages ringt mir Achtung ab und es gehört Mut dazu. Was ich jedoch absolut surreal finde, ist Dein Werben für Feuer beim Boofen und ich lade Dich herzlich ein, bei einem der nächsten, hoffentlich nur Übung, der Feuerwehr in diesem schwierigen Gebiet ,zu unterstützen. Das Feuerverbot geschieht nicht, um den Idealisten die Romantik zu rauben, sondern ihnen diese zu erhalten.

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