Biwak-TV in der „Grüne Hölle“: In Bolivien begleitet das Team um Moderator Thorsten Kutschke zwei Sachsen in den tiefsten Dschungel. Und dabei geht´s nicht nur um Abenteuer.
So verregnet war´s bei Biwak-Dreharbeiten noch nie: In der neuen Sendestaffel im August geht die Fernsehcrew des MDR-Bergsportmagazins meilenweit aus ihren Komfortzonen raus: hinein in die Suppenküche des bolivianischen Dschungels zu Klammeraffen, Kaimanen und entlegenen Indianer-Dörfern am Rio Tuichi. Erst nach einer zweieinhalbwöchigen Hitzeschlacht bekommt das Team endlich wieder vertrauten Boden unter die Füße – den Gipfelschnee der Anden. Ist Biwak jetzt völlig von der Rolle? Ein Gespräch mit Moderator Thorsten Kutschke über den anstrengendsten Garten Eden der Welt, Abenteuer weit neben der Spur – und Ziele, für die es wirklich zu kämpfen lohnt.
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Thorsten, was die Biwak-Redaktion neuerdings auf ihrer Facebook-Seite postet, wirkt fast wie eine Hommage auf Rüdiger Nehberg. Zu sehen war da ein Foto von dir mit einer Larve auf dem Finger – Drüber stand: Schmeckt das? Klär uns bitte mal auf!
Das war in Bolivien, bei unserer Urwald-Expedition (Hier geht´s zu den >>> Sendeterminen). Wir wollten angeln gehen, und die Schmetterlingslarven, die wir gefunden hatten, sollten unsere Köder sein. Mir als Gringo wurde bei dieser Gelegenheit erklärt, dass man solche Larven auch essen kann und dass sie sehr proteinhaltig sind.
Und? Hat´s geschmeckt?
Tatsächlich ganz leicht nach Kokos. Aber ich hab es schnell runtergeschluckt und nachgespült… und es auch bei der einen Larve belassen.
Auf dieser Tour war manches anders als sonst bei Biwak. Zum Angeln wart ihr allerdings nicht dort.
Nein, wir haben zwei Sachsen besucht, für die Bolivien so etwas wie ihre zweite Heimat geworden ist. Ilka Sohr und Torsten Roder. Anfangs waren die beiden dort vor allem als Abenteuerreisende unterwegs – wahnwitzigerweise auch im Dschungel. Wer das Buch von Yossi Ghinsberg kennt, der weiß, was das bedeutet. Dieser Israeli, der dort in den 80ern völlig verloren ging. Sowas kann ganz schnell passieren: Wenn du 20 Meter in den Dschungel reingehst, dir die Augen verbinden lässt und dich dreimal um dich selber drehst, weißt du nicht mehr, wo du hergekommen bist und wo du eigentlich hinwillst. Und die beiden Sachsen haben sich da mit irgendwelchen Schlauchbooten und Flößen in die Oberläufe der Dschungelflüsse gewagt. Die sind losgefahren – manchmal auch mit Einheimischen – nur, um zu gucken, ob sie durchkommen und wo sie ankommen, Hunderte Flusskilometer durch den Regenwald. Später haben sie dort dann auch ein medizinisches Hilfsprojekt aus der Taufe gehoben, um die vergessenen Dörfer am Rio Quiquibey und am Rio Tuichi mit den grundlegendsten Dingen zu versorgen und sie so gut es eben geht vor eingeschleppten Zivilisationskrankheiten und Keimen zu schützen.
Ein Thema für Biwak, warum?
Weil es spannend ist. In diesem Fall war´s die Mischung. Wir wollten nicht einfach nur auf Berge klettern oder andere dabei begleiten, wie sie aus ihrem Alltag ausbrechen. Natürlich waren wir in Bolivien auch im Hochland unterwegs – klar. Aber wir haben uns gedacht, vorher gucken wir diesen beiden Sachsen bei ihrer selbst gestellten Lebensaufgabe zu – und das in einer Umgebung, die uns völlig fremd ist. Wir gehen mit denen in die grüne Hölle, erzählen ihre Geschichte und versuchen rauszubekommen, was sie antreibt, sich dort von Würmern und Moskitos zerfressen zu lassen und ihr Leben aufs Spiel zu setzen.
Hilfe im Dschungel!
Mehr Infos zu den Hilfsprojekten der beiden Dschungel-Sachsen findet ihr auf ihrer Internetseite:
www.urwaldprojekte.de⇒ Spendenkonto:
Konto-Inhaber: Projekt Regenzeit e.V.
Sparkasse Chemnitz
IBAN: DE33 8705 0000 3557 0062 20
BIC: CHEK DE 81
Der humanitäre Gedanke hat dich gereizt?
Ja. Wenn du mal anderswo auf der Welt warst, wo es den Leuten nicht so geht wie uns, die nicht in so einer Überfluss- und Vollkasko-Gesellschaft leben wie wir, dann bekommst du schon ein bisschen mehr Abstand zur eigenen Umgebung und zum eigenen Alltag. Und wirst ein bisschen gelassener. Manchmal denke ich, alle, die bei uns zu Hause immer nur meckern und jammern und immer nur wollen und nie genug kriegen, die müsste man eigentlich mal in Zwangsurlaub in solche Ecken schicken, damit sie sehen, wie gut es ihnen geht. Solche Geschichten können dich ganz schön erden. Und dieser Eifer und diese Selbstlosigkeit, mit der sich die beiden dort engagieren – nicht für Geld – einfach nur, weil es ihnen eine Herzensangelegenheit ist… Das finde ich bewundernswert. Und weil es außerdem eine sehr abenteuerliche Art von Entwicklungshilfe ist, und weil es zwei Sachsen sind, war es höchste Zeit, dass wir mit denen mal losziehen und uns das mal angucken.
Wie war das für euch? Was bedeutet das für die Dreharbeiten?
Wir hatten ja eigentlich einen sehr ambitionierten Plan. Wir wollten ein Dschungel-Trekking machen und dann einen kleinen Nebenfluss des Rio Tuichi mit Packrafts erstbefahren, also wandern und Boot fahren. Nachdem wir aber die ersten Tage hinter uns hatten und gemerkt haben, wie das Klima drückt, wie du nach so einem Regenguss wie in der Sauna bist, wie schwer dir unter solch ungewohnten Bedingungen das Arbeiten und das Konzentrieren fällt… Jedesmal die Linse sauber zu wischen, zu gucken, dass dir die Kamera nicht anläuft, da mussten wir einsehen – als Filmteam reiben wir uns hier auf. Du hast keinen Wetterbericht, du weißt nicht, wann es oben in den Bergen vielleicht regnet und wann der Fluss in einer halben Stunde vier Meter ansteigt. Dann hilft nur, schnell irgendwo hin, wo es vier oder fünf Meter höher ist. So einen Platz musst du im Dschungel erst mal finden. Da bleibt am Ende nur der Baum, an dem du hochkletterst. Von dem du aber wieder nicht weißt, ob du ihn anfassen darfst, weil da vielleicht irgendwelche Feuerameisen drin wohnen. Wir haben dann gesagt, okay, wir machen das Programm ein bisschen simpler als geplant.
Grüne Hölle trifft´s also ganz gut…
Ich war Anfang der 90er schon mal im Dschungel. Und hab damals schon gemerkt, das ist irgendwie nicht so meins. Wenn du dein Leben lang über Bergrücken gestolpert bist, dann entwickelst du Instinkte für bestimmte Situationen. Du bekommst ein Gefühl fürs Wetter, weißt, wann du besser umdrehst, ob der Hang steinschlag-, oder lawinengefährdet ist. Im Urwald dagegen bist du einfach nur hilflos. Um dich herum zischt, kreucht und fleucht es überall. Du weißt nicht, was du anfassen darfst, du stapfst bei 45° C und 700% Luftfeuchtigkeit in Gummistiefeln und langen Klamotten durch den Wald, dir läuft die Suppe den ganzen Tag unterm Hemd runter, und du fragst dich, was du dort eigentlich machst. Du weißt nicht, was hinterm nächsten Baum kommt – nicht mal, wo du hingucken sollst.
Expedition in Bolivien
Die Sendetermine:
⇒ Am 10., 11., 12. 13. und 15. August 2020, jeweils 19.50 -20.15 Uhr im MDR-Fernsehen.
Mehr Infos auf der Homepage ⇒ www.mdr.de/biwak
Biwak auf Facebook ⇒ facebook.com/BiwakTV
Gibt´s auch schöne Momente, wo man sich wie im Garten Eden fühlt?
Naja das ist wie das Wetter in Island, das wechselt alle zehn Minuten. Es ist schon faszinierend, wenn du dich in so einer Artenvielfalt bewegst und staunst, wie groß Bäume werden können, wie dicht das Buschwerk sein kann. Manchmal war es schon ein Garten Eden. Aber anstrengend. Wenn dir Tiere begegnen, du plötzlich in einem Schwarm Wildbienen stehst oder der Kaiman seinen Kopf aus dem Wasser steckt, dann ist das anders als im Zoo. Du weißt, du brauchst nicht wegrennen, jedes Tier ist schneller als du. Vielleicht ist es keine Hölle, aber es hat mir gehörigen Respekt eingeflößt.
Sternenhimmel über dem Salar de Uyuni, mit mehr als 10.000 Quadratkilometern der größte Salzsee der Welt. Eine bleibende Erinnerung besonders für Moderator Thorsten Kutschke, der hier mit eigener Kamera seinen ersten Zeitraffer filmte. (Video: Thorsten Kutschke)
Zuletzt wart ihr dann doch noch in den Bergen, und auch da gab´s eine Premiere für Biwak.
Das sind eben die Gegensätze in Bolivien. Wir sind nach zweieinhalb Wochen völlig verschwitzt und zerstochen aus diesem Dschungel rausgekommen, und dann setzt du dich in so eine kleine Propeller-Maschine und bist innerhalb von 20 Minuten auf 4000 Metern. Nachts ist es knapp über Null, und selbst am Tag frierst du ständig. Aber die Landschaft ist traumhaft, und wenn man schon mal auf 4000 Metern ist… Da hat uns so ein bisschen der Hafer gestochen und wir haben uns gesagt: Wo, wenn nicht hier, schreiben wir für Biwak auch mal eine 6 vorn dran und versuchen mit dem ganzen Team auf einem 6000er zu stehen. Ich hatte das schon paar Mal, in Südamerika, auch im Himalaya, aber mit der ganzen Truppe und der Filmausrüstung, das war dann schon eine Herausforderung. Wobei der Uturuncu (6008 Meter), der es dann am Ende geworden ist, schon ein sehr dankbarer Berg war, weil wir mit dem Auto relativ weit hochfahren konnten. Mir persönlich ging´s dort gut, im Gegensatz zum Essen vertrage ich Höhe eigentlich immer gut. Dem Holger ging´s auch gut, Johnny auch, aber Götz, unser Kameramann, hat ziemlich durchgehangen. Den haben wir echt auf der letzten Rille da hochgeschleppt, und haben auch selber noch ein bisschen beim Filmen ausgeholfen. Aber heutzutage gibt’s ja GoPros, da kann auch der Redakteur mal ein paar Bilder drehen. Also das war dann echtes Teamwork, dass wir es da hochgeschafft haben. Und das war eigentlich ein schöner Abschluss.
Gespräch: Hartmut Landgraf
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