Volle Peilung

Ein Mann peilt mit einem Kompass einen Tafelberg am Horizont an.
Mit Kompass und Karte findest du dich in jedem Winkel der Welt zurecht. Und kannst jeden Berg am Horizont eindeutig identifizieren. (Fotos: Dana Landgraf)

So behältst du die Orientierung: Ein paar grundlegende Tipps zum Umgang mit GPS-Gerät, Kompass und Karte.

Navigation ist, wenn man trotzdem ankommt. Diesen alten Skipper-Witz haben vermutlich schon die Wikinger gekannt, die sich dazumal nur mithilfe von Küstenlinien, Sonne und Polarstern auf den Meeren zurecht zu finden wussten. Heute hingegen kann man sich in fremden Gegenden einfach vom GPS ans Ziel lotsen lassen oder sogar – wie kürzlich in der Sächsischen Schweiz beobachtet – per Smartphone-Sprachnavigation auf einer schnurgeraden Landstraße ins nächste Dorf.

Bequemer geht´s nicht. Solange die Technik mitspielt, der Akku geladen und das Funknetz ohne Lücken ist. Doch wehe, falls nicht! Wo nur noch Apps und Geräte für die Orientierung sorgen, geht sie nämlich an anderer Stelle verloren – beim Besitzer. Wissenschaftler fanden heraus, dass in unserem Gehirn spezielle Zellen dafür zuständig sind, wie wir uns Orte merken, Entfernungen einschätzen und unsere Position bestimmen. Dieses körpereigene Navi müssen wir mit Daten füttern. Sonst verkümmert unser Orientierungssinn wie ein unzureichend trainierter Muskel. Oder, wie der Bad Schandauer Kartograf Rolf Böhm befürchtet: „Der Mensch verliert sein Gefühl für den geografischen Raum.“

Ein bisschen Übung im Umgang mit Kompass und Karte kann da nicht schaden. Nicht nur, weil Kartenlesen erwiesenermaßen das grafische und räumliche Vorstellungsvermögen schult. Sondern, um sich auch problemlos in solchen Gegenden zurecht zu finden, wo moderne Elektronik des rauen Klimas wegen schnell mal den Geist aufgibt und der Begriff Funknetz noch wörtlich zu nehmen ist: Ein Netz besteht vor allem aus Lücken. Mit den folgenden Basics behältst du aber auch unter erschwerten Bedingungen die Orientierung:

1. Einen Platz zum Üben finden

Mit seinen markanten Gipfeln ist das Elbsandsteingebirge wie gemacht dafür, den Umgang mit Kompass und Karte zu üben. Viele Punkte in der Landschaft heben sich deutlich gegen den Horizont ab und lassen sich daher problemlos anpeilen. In diesem Beipiel habe ich den Gohrisch als Standort gewählt, einen 448 Meter hohen Tafelberg im linkselbischen Teil der Sächsischen Schweiz, der nach allen Richtungen freie Sicht bietet.

2. Den eigenen Standort ermitteln

Angenommen, der Gohrisch wäre ein unbekannter Bergrücken in einer fremden Landschaft. Vielleicht bist du nur hinaufgeklettert, um nach einem guten Lagerplatz oder dem nächsten Fluss Ausschau zu halten – weißt aber nicht, wo du dich befindest und wie du ans erhoffte Ziel gelangst. Die genaue Position lässt sich am einfachsten mit einem GPS-Gerät ermitteln – soviel Moderne darf sein. So hast du außerdem ein verlässliches Kontrollinstrument, um deinen Standort im Fall von Orientierungsschwierigkeiten immer wieder neu zu bestimmen.

Das Gerät ortet deine Position mittels Satelittendaten. Die Koordinaten erfährst du ganz einfach –  indem du sie abliest. Von allen anderen Funktionen des Geräts halte ich persönlich wenig. Es gibt zwar mobile Karten für fast jeden Winkel  zu kaufen. Man lädt sie drauf und hat quasi die ganze Welt in der Hosentasche. Auf längeren Querfeldeintouren taugen diese Anwendungen trotzdem nur bedingt, denn sie fressen Strom, und bei knackiger Kälte, beispielsweise beim Wintertrekking, saugt so eine tolle Navi-Funktion selbst hochwertige Lithium-Batterien schneller leer als gedacht. Außerdem ist das piepselige Display kaum dazu geeignet, ein realistisches Bild der Umgebung zu vermitteln, mögen die zugrundeliegenden Daten noch so detailreich sein. Für mich hat sich deshalb folgende Faustregel bewährt: Willst du deine Position wissen, nimmst du das GPS – für die Richtung immer Kompass und Karte.

Wichtig dabei: Um deinen Standort mittels GPS auf einer Papierkarte zu verorten, musst du im Gerätemanager zuvor das entsprechende Positionsformat einstellen. Auf topographischen Karten findest du am Rand immer eine Reihe von Zahlen (Koordinaten), die dazu dienen Positionen in der Karte zu bestimmen. Die geographischen Koordinaten werden in Grad, Minuten und Sekunden angegeben, wobei ein Grad 60 Minuten und eine Minute 60 Sekunden entspricht. Die Minuten sind im Kartenrahmen grafisch hervorgehoben (50°54′02“ liest sich 50 Grad, 54 Minuten, 2 Sekunden). Ist das GPS richtig eingestellt, bekommst du die entsprechenden Koordinaten vom Gerät geliefert und kannst mit ihnen nun deine genaue Position auf der Karte ermitteln.

Manche Karten haben zusätzlich das sogenannte UTM-Gitter aufgedruckt, ein globales Koordinatensystem, dass u.a. im Katastrophenschutz, bei Rettungsdiensten und im Vermessungswesen Verwendung findet. Werkseitig sind GPS-Geräte meist für die Navigation mit Breiten- und Längengrad, in Grad, Minuten und Sekunden, voreingestellt. Nutzt deine Karte jedoch ein anderes System oder Gitter, kannst du dieses ebenfalls am Gerät einstellen, um die entsprechenden Koordinaten zu bekommen.

Ein Wort noch zur Karte: In unserem Beispiel habe ich die „Große Karte der Sächsischen Schweiz“, des Bad Schandauer Wanderkartenverlags Rolf Böhm als Vorlage verwendet. Maßstab 1: 30.000. Sie ist genau, grafisch nicht zu abstrakt, sondern eher naturalistisch und höchst detailreich gestaltet. Sie ist dem realen Landschaftsbild nachempfunden, lässt Sichtbeziehungen erahnen und eignet sich somit hervorragend für Orientierungsübungen.

Die geographische Breite (N) wird am rechten bzw. linken Kartenrand abgelesen, die geografische Länge (E) am oberen und unteren Rand – die jeweiligen Werte entsprechen der Einteilung in Grad, Minuten und Sekunden.

Anschließend zeichnest du von beiden Punkten eine gedankliche Linie zum jeweils gegenüberliegenden Kartenrand. Wo sich die Linien kreuzen, ist deine genaue Position gemäß Karte – in diesem Fall der Gipfel des Gohrisch.

3. Die Karte einnorden

Merk dir folgende Eselsbrücke: Wenn du eine Karte lesen kannst, hältst du sie richtig rum. Diese scheinbare Binsenweisheit vermittelt etwas sehr Wichtiges – Norden ist auf modernen Karten immer oben! Das heißt, die abgebildeten Inhalte sind auf den geografischen Nordpol ausgerichtet. Orientieren kannst du dich an den Längs- bzw. Nordlinien deiner Karte. Entsprechende Linien findest du auch auf der Unterseite des Kompasses.

Lege nun den Kompass so auf die Karte, dass seine Nordlinien mit denen der Karte richtungsgleich verlaufen – und drehe dann die Karte mitsamt dem daraufliegenden Kompass, bis die Magnetnadel mit der Nordmarke übereinstimmt. In unseren Breiten deckt sich die Nordausrichtung der Nadel zudem mit der geografischen Nordrichtung, d.h. die Nordlinien und die Nadel stehen parallel zueinander. Die Karte ist nun präzise eingenordet.

Dazu eine Anmerkung: In anderen Breiten der Welt können sich hier Abweichungen ergeben. Weil die Nadel nicht auf den geografischen, sondern zum magnetischen Nordpol zeigt, kommt es z.B. in arktischen Gefilden zu teils erheblichen Unterschieden zwischen dem geografischen Norden und der Richtung, in die deine Kompassnadel weist. Da der Magnetpol zudem wandert, bleibt die Abweichung nicht immer gleich, sondern verändert sich im Laufe der Zeit. Diese „Missweisung“, auch Deklination genannt, musst du am Kompass ausgleichen, indem du die Nordmarke um den entsprechenden Wert gegen die Nordlinien verdrehst. Doch in unserem Fall, im Elbsandsteingebirge bzw. in Mitteleuropa, ist das nicht nötig.

4. Einen Kartenpunkt in der Landschaft finden

Angenommen, du wärst zum ersten Mal im Elbsandsteingebirge und hättest eine Tour von deinem Startpunkt auf dem Gohrisch zum Königstein geplant – nur mit dem Finger auf der Landkarte. Du wüsstest also nicht, wie der Königstein konkret aussieht und woran du ihn aus der Ferne erkennst. In einer prominenten Landschaft wie der Sächsischen Schweiz wirkt das zugegebenermaßen ein bisschen an den Haaren herbeigezogen – in weniger stark belichteten Ecken der Welt ist es aber durchaus ein gängiges Problem!

Trekkingfans können ein Lied davon singen. Meist hast du vorab nur eine unklare Vorstellung von deinen Zielen. Bestenfalls sind in Reiseführern oder auf Instagram ein paar Fotos davon zu finden, oder Google Earth lässt einen groben Eindruck aus der Vogelperspektive zu – oftmals sieht die Wirklichkeit aber ganz anders aus. Wie also findest du den Königstein in der Landschaft? Nachdem du die Karte eingenordet hast, erkennst du bereits grob die Richtung, in der dein Ziel zu suchen ist. Um sicher zu gehen, musst du es – anpeilen.

Die Peil-Richtung nimmst du von der Karte ab. Dazu verbindest du als erstes deinen Start- und Zielpunkt mit einer gedanklichen Linie und legst den Kompass mit seinem Lineal daran an. Zum Verlängern kannst du zum Beispiel die Kartenhülle oder auch einen Grashalm verwenden. Als nächstes stellst du am Kompassgehäuse die Nordrichtung ein – die Magnetnadel steht in ihrer Marke, die Nordlinien von Kompass und Karte verlaufen parallel.

Nun hältst du dir den Kompass mit seinem Visier vors Auge und peilst den Horizont an – dabei drehst du dich so weit um die eigene Achse, bis seine Magnetnadel wieder mit der Nordmarke übereinstimmt, bzw. parallel zu den Nordlinien steht. Der Spiegel hilft dir, Nadel und Kimme gleichzeitig im Blick zu behalten. Nun hast du das gesuchte Ziel im Visier.

5. Einen Landschaftspunkt auf der Karte finden

Umgekehrter Fall: Du siehst am Horizont einen markanten Berg und möchtest wissen, welcher es ist. Das kann dir nur ein Ortskundiger sagen – oder die Karte. Dazu peilst du die Erhebung mit deinem Kompass an, und sobald du sie im Visier hast, stellst du am Kompassgehäuse die Nordrichtung ein, bis Nordmarke und Magnetnadel übereinstimmen. Auch hierbei hilft dir der Spiegel.

Dann legst du den Kompass auf der schon eingenordeten Karte mit einer Ecke seines Lineals am Bezugs- bzw. Ausgangspunkt an – deinem momentanen Standort auf dem Gohrisch – und drehst ihn mit der Längskante um diesen Scheitelpunkt, bis die Nordlinien von Kompass und Karte richtungsgleich sind. Der Kompass zeigt nun mit seiner Längskante in Richtung des Berges, den du zuvor in der Landschaft angepeilt hattest. Auf diese Weise kannst du ihn auf der Karte zweifelsfrei identifizieren: Es handelt sich um den Königstein.

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