Der Wald kehrt zurück

Vor sieben Jahren stand in den Affensteinen ein ganzes Riff in Flammen. Inzwischen ist auf der abgebrannten Kahlfläche ein neues Dickicht aus Birken und Vogelbeeren herangewachsen. Es erzählt eine Geschichte über die Kraft der Natur – und lässt hoffen für die Wälder der Sächsischen Schweiz.

Die Reste der Hölle verstecken sich unter einem knöcheltiefen Filz aus Heidekraut und Preiselbeeren. Die sommerliche Abendsonne schickt ihre kräftigen Strahlen über die Affensteine und stellt das frische Birkengrün auf dem Riff in ein gutes Licht. Am Horizont hinter der Hohen Liebe brennt der Himmel.

Vor sieben Jahren war es umgekehrt. Damals brannten hier die Bäume. Anfang September 2015 geht auf dem Felsplateau über dem Sandloch ein großes Stück des urigen Birken- und Riffkiefernwalds komplett in Rauch auf. Zwei Tage und Nächte wütet das Feuer auf der fußballfeldgroßen Fläche, verbrennt Farn und Heidekraut, züngelt und leckt die Stämme empor, frisst sich tief in die Klüfte hinab, kriecht unter die Erde und verkohlt die Wurzeln. 100 Feuerwehrleute und ein Löschhubschrauber der Bundespolizei kämpfen stundenlang gegen die Flammen, zigtausende Liter Wasser sind nötig, bis der Waldbrand endlich unter Kontrolle gebracht und schließlich gelöscht werden kann. Brandursache: ein Lagerfeuer.

Das Feuer war noch im kilometerweit entfernten Porschdorf zu sehen. (Foto: Kai Bigge/FFW Bad Schandau)
Ranger Maik Hille von der Nationalparkwacht musste damals zusehen, wie das, was er schützen soll, durch Achtlosigkeit in Rauch aufging. Hier wurde auch viel Vertrauen verbrannt. (Foto: Hartmut Landgraf)
Kurz nach dem Brand, September 2015. (Foto: Hartmut Landgraf)

Heute muss man die Spuren suchen. Ein paar zähe, längst verdorrte Kiefern stehen noch mit schwarzen Füßen zwischen neu heranwachsenden Birkenstämmchen – hier und da lugt der Rest eines verkohlten Asts aus dem Unterholz. Auf dem Riff wächst und sprießt es aus allen Ritzen. Birken und Vogelbeeren wuchern wild durcheinander, mannshoch schießt der Adlerfarn ins Kraut, am Boden breiten sich Heide und Preiselbeeren wieder aus, Eichen und Kiefern drängeln sich dazwischen, sogar eine kleine Buche lauert schon im Schatten des jungen Dickichts auf ihre Chance. Der Wald kehrt zurück – nach nur sieben Jahren.

Heute wächst hier wieder ein junger Wald. (Foto: Hartmut Landgraf)
Die Bäume rechts konnten die Feuerwehrleute retten, links brannte alles nieder. (Foto: Hartmut Landgraf)
(Foto: Hartmut Landgraf)

Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist der Talkessel unterhalb vom Riff. Dort wütet seit Jahren der Borkenkäfer – wie mittlerweile in weiten Teilen der Sächsischen Schweiz. Im Großen und Kleinen Zschand, zu Füßen der Affensteine, zu beiden Seiten des Kirnitzschtals und im Hinterhermsdorfer Gebiet sind inzwischen riesige Fichtenflächen komplett abgestorben, dort hat sich der Wald binnen drei Jahren in ein wüstes Schlachtfeld aus kreuz und quer liegenden Baumleichen verwandelt. In anderen Teilen des Gebirges ist der Krieg noch in vollem Gang. Ein Anblick zum Verzweifeln – wäre da nicht das Sandlochriff.

Die heilende Brandfläche erzählt eine Geschichte über die Kraft der Natur. Wälder können solche Katastrophen verschmerzen. Sie brauchen nur Zeit. Und ausreichend Wasser. Das jedoch sind die beiden großen Unbekannten der nächsten Jahre. Die jüngsten Ergebnisse der Klimaforschung geben einigen Grund zur Sorge. Für Mitteleuropa sieht es nicht gut aus. Vor diesem Hintergrund erscheint auch der oft bemühte Verweis auf die einstmals großflächig kahlgeschlagenen und wieder nachgewachsenen Elbsandsteinwälder früherer Zeiten zumindest fragwürdig. Es könnte auch anders kommen. Die ohnehin wasserarmen, sandigen Böden des Gebirges könnten vollends austrocknen, die kahlen Borkenkäferflächen komplett verdorren, Moose, Flechten und die zur Wiedergeburt des Waldes so wichtigen Pilzgespinnste im Boden absterben, zartes Grün – jeden Schattens beraubt – in der Sonne verbrennen und die Luft sich in den engen, baumlosen Felsenschluchten im Sommer aufheizen wie in einem Wüsten-Canyon.

Hier lag vor sieben Jahren die kilometerlange Schlauchleitung, mit deren Hilfe das Bachwasser der Kirnitzsch zum Löschen aufs Riff gepumpt wurde. (Foto: Hartmut Landgraf)
Die Spuren verschwinden allmählich. (Foto: Hartmut Landgraf)

Das junge Birkengrün auf dem Sandlochriff ist keine sichere Wette auf die Zukunft der Elbsandsteinwälder. Aber es zeigt ihre Chance. Denn die Bäumchen sehen gesund aus und sind auch weiter herangewachsen in den drei aufeinanderfolgenden Dürresommern, die ihren Fichtengefährten im Tal zum Verhängnis wurden. Das lässt zumindest hoffen.

Inzwischen ist die Abendsonne hinter den Horizont gesunken. Über die nackte Felskante ganz vorne am Riff streicht leise ein warmes Sommerlüftchen. Es raschelt einen Moment lang zwischen den Birkenzweigen und verfliegt dann wieder. Ein ganz leichter, süßlicher Harzgeruch zieht aus dem Tal hinauf aufs Riff. Keine Spur von Rauch ist dabei! Das ist gut so.

Friedlicher Sonnenuntergang hinter der Hohen Liebe. (Foto: Hartmut Landgraf)

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