Wiedersehen mit dem Everest

Der Dresdner Alpinist Götz Wiegand vor dem Mount Everest
20 Jahre nach der ersten sächsischen Mount-Everest-Expedition: Götz Wiegand macht´s nochmal - aber diesmal nur bis ins vorgeschobene Basislager auf 6400 Meter. (Fotos/Montage: Hartmut Landgraf)

20 Jahre nach der ersten sächsischen Mount-Everest-Expedition kehrt der damalige Expeditionsleiter Götz Wiegand nochmal an den höchsten Berg der Erde zurück. Auf den Gipfel will er diesmal aber nicht.

Eisskulpturen auf dem Rongbukgletscher
Eisskulpturen auf dem Rongbukgletscher – circa 6000 Meter hoch. (Foto: Hartmut Landgraf)

Ein windgepeitschtes Schneefeld, wenige Hundert Meter unter dem Nordsattel. Eis und Einsamkeit, soweit das Auge reicht. Und darüber wie ein unerreichbarer Wolkenpalast: der Gipfel des Mount Everest. Diesen Anblick will Götz Wiegand (57) noch einmal genießen – in ein paar Wochen. Im September, wenn am höchsten Berg der Erde (8848 Meter) endlich Ruhe eingekehrt ist und selbst im Basislager keine Zelte mehr stehen, steigt der Dresdner mit einer Gruppe von zehn Leuten über den Rongbukgletscher zum letzten sicheren Rastplatz unter der Nordwand auf – so wie vor 20 Jahren, 1996, als er die erste sächsische Mount-Everest-Expedition an den Berg führte. Ziel der Tour ist das sogenannte ABC – das vorgeschobene Basislager auf 6400 Metern. Wiegand war seit damals  nicht mehr dort. „Wir haben ein Permit für sechs Tage. Mal sehen, was wir da machen können“, sagt er.

Everest von Norden
Der Mount Everest (8848 Meter) von Norden gesehen. Durch das Kerbtal links zieht sich der etwa 25 Kilometer lange Rongbukgletscher. Auf diesem Weg stieg die sächsische Everest-Expedition 1996 zum Advanced Basecamp (ABC) auf 6400 Metern auf. (Foto: Hartmut Landgraf)

Dass es den Leiter der legendären Sachsen-Expedition ausgerechnet zwei Jahrzehnte später noch einmal dorthin zurück verschlägt, ist freilich keine alpine Schicksalsgeschichte: Wiegand organisiert Bergtouren – und Ende August führt er eine Trekkinggruppe um den Mount Kailash, den heiligen Berg der Tibeter. Anschließend geht´s mit einem Teil der Gruppe zum Everest weiter. „Die Tour war lange geplant, und das mit dem Jubiläum war mir erst gar nicht bewusst. Das ist purer Zufall“, sagt der Dresdner.

Götz mit einem Bild vom Everest
Da will Götz Wiegand nochmal hin – das Bild zeigt die Nordseite des Everest vom Rongbuk-Kloster aus gesehen. Götz steigt mit seiner Gruppe noch 1500 Höhenmeter weiter. (Foto: Hartmut Landgraf)

Dennoch hat das Wiedersehen etwas Schicksalhaftes: Denn zwischen Wiegand und dem Everest blieb etwas offen. 1996 schafften es die Sachsen ohne zusätzlichen Sauerstoff bis auf 8500 Meter – aber nicht bis zum Gipfel. Die Spitzengruppe der Expedition verschliss ihre Kräfte bei einer Rettungsaktion für einen in Not geratenen Japaner, Wiegand stieg mit der Nachhut ebenfalls nicht weiter auf. Auch bei einer zweiten Expedition fünf Jahre später, als die Sachsen den Berg schließlich erfolgreich von der nepalesischen Südseite angingen, war es nicht Götz Wiegand, der auf dem Gipfel stand, sondern der Chemnitzer Jörg Stingl. Der Everest blieb ihm versagt. „Ich war auf vier Achttausendern“, sagt er heute. „Ich glaube nicht, dass es noch mehr werden.“

Everest-Basislager
Das Basislager des Mount Everest auf der tibetischen Nordseite – 5170 Meter hoch. (Foto: Hartmut Landgraf)

Schon vor Jahren hat sich der Dresdner von den höchsten Bergen abgewandt – mit Sorge und Missfallen beobachtet er den kommerziellen Rummel an ihren Flanken. Wiegand musste selbst erleben, wie verantwortungslose Expeditionsfirmen unbedarfte Abenteurer in die Todeszone führten. „Leute, die noch nie in ihrem Leben ein Steigeisen dranhatten“, sagt er. Die stolzen Gletscher und Eisgipfel sind käuflich geworden – für jeden, der es sich leisten kann. „Was da inzwischen abgeht, hat mit Bergsteigen nichts mehr zu tun.“

Götz Wiegand hat mit dem Everest abgeschlossen. Deshalb ist ihm auch vor dem Wiedersehen nicht bange. Vor sieben Jahren zu seinem 50. Geburtstag sei ihm der Berg letztmalig durch den Kopf gegeistert. Eine Gipfelüberschreitung von Norden nach Süden, damit hatte er geliebäugelt. Doch Wiegand schlug sich die Sache bald aus dem Sinn. „Ich wusste ja, ich würde da wenig Spaß haben.“ Heute verschwendet er keinen Gedanken mehr an den Everest. „Früher dachte ich: Der höchste Berg der Erde, die besten Bergsteiger – die beste Bergkameradschaft. Das war völlig naiv. Dort herrscht Rücksichtslosigkeit, jeder ist sich selbst der Nächste. Für mich ist Bergsteigen ein Miteinander. Scheißegal, ob du auf den Wilisch* willst oder auf den Everest – wichtig ist, wie du dich dabei fühlst.“

*Basaltkuppe südlich von Dresden, 476 Meter hoch

Sachsen am höchsten Berg der Erde

  • Die Geschichte der ersten sächsischen Mount-Everest-Expedition von 1996 erscheint in der zweiten Printausgabe des Sandsteinbloggers im November. Alle Infos zur Erstausgabe >>> gibt´s hier.
  • Über die Expedition hat Kameramann Stefan Urlaß damals einen beeindruckenden Film gedreht, der auf mehreren TV-Sendern ausgestrahlt wurde. Anläßlich des 20-jährigen Jubiläums wird dieser Film in einer Sonderfassung beim 13. Bergsichten-Festival (11.-13. November 2016) aufgeführt. Kameramann und Expeditionsteilnehmer sind dazu eingeladen. Termin: Samstag, 12.11.2016, 10:00 Uhr, Hörsaalzentrum der TU Dresden.

2 Kommentare zu Wiedersehen mit dem Everest

  1. Lieber Götz, alles Gute zum Jubiläum.
    Das Leben besteht immer aus “ Zwei Möglichkeiten“, für dich nur die “ Eine“, deine Bergmannschaft gesund nach Hause zubringen. So haben wir dich vor Jahren kennen und schätzen gelernt. Ich freue mich auf weitere gemeinsame Touren und danke dir für die erlebten Momente. Wünschen dir für die nächsten Jahre viele tolle Bergtouren, glückliche Momente am Berg und möge das Glück immer auf der richtigen Bergseite sein.
    LG B&C

  2. Mein Name ist Ernst Merkle (Jahrg. 1951) aus Mindelheim in Bayern. Ich habe damals den Film über Eure Rettungsaktion am Everst im Fernsehen gesehen und dann euer Buch „Gipfelträume“ 2005 in Augsburg gekauft. Ich lese in eurem Buch immer wieder weil sich Euer Verhalten gottseidank von so manchen „Topprofis“ abhebt. Aus Eurem Buch (Wiegand/Meutzner) spricht Menschlichkeit. Euer Buch steht auf dem gleichen tollen Niveau wie von Reinhard Karl („Zeit zum Atmen“. Viele Grüße aus Mindelheim

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