Von oben sieht man die Welt mit anderen Augen. Stephan Messner sucht solche Perspektiven. Und was er daraus macht, begeistert andere. Über einen Hobbyfotografen, der zum Überflieger wurde.
Drohnen können ganz schön viel Staub aufwirbeln. Stephan Messner hätte sich bei einem Start an den Plitwicer Seen (Kroatien) beinahe mal die Kamera ruiniert. Der Sog unter den vier Rotorblättern wurde so stark, dass der Dreck nur so nach allen Richtungen flog. Messner hat daraus gelernt. Wir starten auf Gras.
Eine Felsklippe unweit von Usti nad Labem im Böhmischen Mittelgebirge, kurz nach Sonnenaufgang. Zwischen Daumen und Zeigefinger bedient Stephan Messner die zwei Joysticks der Fernsteuerung, vorsichtig bringt er den Quadrocopter auf Touren – böse brummend erhebt sich das Insekt in die Luft. In seinem Elektromotor steckt ein kleiner Teufel, würde man ihm die volle Leistung abverlangen, könnte die Drohne wie ein wildes Biest mit 80 km/h übers Elbtal bis zum Schreckenstein brausen. Aber heute braucht Messner nur ein Panoramafoto.
Selbst auf Gras stiebt es ein bisschen unter den Propellern. Aber ein Tuch auf die Startbahn zu legen, wie es manche Copter-Piloten machen, ist Stephan Messner zu viel Brimborium. Auf den Untergrund zu achten, musste der 46-jährige Hobbyfotograf erst lernen. Messner war es gewohnt, nach oben zu schauen – jahrelang hatte er kaum Augen für etwas anderes als den Nachthimmel und die Sterne. Doch wer Fotografie mit so viel Herzblut betreibt, dem reichen die gewohnten Bilder und Perspektiven irgendwann nicht mehr. Messner hat seinen Blickwinkel radikal geändert – um 180 Grad. Heute schaut er am liebsten aus den Wolken nach unten. Und dabei gelingen ihm spektakuläre Landschaftsaufnahmen, die in Sachsen schon über Fernsehsender und große Leinwände gelaufen sind. Für die MDR-Sendung BIWAK flog er übers böhmische Elbsandsteingebirge, seine Filme und Kurzbeiträge sind beim Bergsichten-Festival und anderen Outdoor-Veranstaltungen zu sehen.
„In Tschechien ist vieles relaxter“
Binnen kürzester Zeit schrumpft die Drohne über unseren Köpfen auf Insektengröße zusammen, die Positionslichter verblassen, das Brummen wird merklich leiser, bis es fast ganz verstummt – 100 Meter, 200 Meter, 300… Einen halben Kilometer kann Messner sein fliegendes Auge steigen lassen, mehr lässt die Steuerungs-Software nicht zu, sonst würde er in den überwachten Luftraum für Flugzeuge geraten. Und das ist verboten, in der Tschechischen Republik genauso wie in Deutschland. Trotzdem sei in Tschechien „vieles relaxter“, erklärt der Hobbyfotograf. Die Drohnenfliegerei ist ein umstrittenes Thema. Nicht nur, weil diese Technik guten Stoff für Spionagegeschichten und Verschwörungstheorien liefert. Auch Umweltschützer sehen die Monsterinsekten mit Bauchschmerzen. Die rechtliche Lage sei in Sachsen aber „oftmals undurchsichtig“, sagt Messner. Teils kann er solche Vorbehalte sogar verstehen. Menschenansammlungen darf er nicht überfliegen, schon aus Sicherheitsgründen. Ein mit 1000 Umdrehungen rotierender Plastepropeller ist nicht ungefährlich. „Außerdem gibt es immer schwarze Schafe, zum Beispiel Fotografen, die mit ihrer Drohne an Vogelnester heranfliegen. Sowas ruiniert unseren Ruf.“ Aber die Nachbarin beim Duschen zu beobachten – solche Sorgen seien wohl eher Kinder schlüpfriger Fantasien. „Die Kamera hat ein Weitwinkelobjektiv, damit kann ich auf 20 Meter Entfernung kaum noch Details unterscheiden.“ Abgesehen davon duschen die wenigsten Nachbarinnen im Freien.
Mehr Videos, Fotos und Reiseberichte findet ihr auf Stephans Webseite >>> www.skyimages.de
499 Meter. „Maximum altitude reached“, meldet eine softe Frauenstimme aus Stephan Messners Steuerungsgerät. Wie unsere Drohne die Welt da oben wahrnimmt, können wir auf einem tabletgroßen Bildschirm verfolgen. Wie eine silberne Schlange windet sich die Elbe zwischen grünen Bergkuppen Richtung Norden. Und allenthalben – wie mit der Gießkanne in der Gegend verteilt – böhmische Dörfer. Eine bilderbuchartige Miniaturlandschaft, wie man sie in Modellbahnläden manchmal im Schaufenster sieht.
Crash auf dem Jeschken
Uns erkennt die Drohne nicht, obwohl sie direkt über unseren Köpfen steht. Von dort oben sind wir nur Pixel in einer grandiosen Mittelgebirgs-Matrix. Unser Leben, der Alltag, Stephan Messners Metallbaufirma – das alles erscheint aus einem solchen Blickwinkel unglaublich klein und unwichtig. Das ist wohl der eigentliche Reiz an der Drohnen-Fotografie: Man sieht die vertraute Welt mit ganz anderen Augen. Sterne nimmt Stephan Messner nur noch selten aufs Korn – in Deutschland überhaupt nicht mehr. Zu viel Lichtverschmutzung. Der Astrofotografie widmet er sich manchmal noch im Urlaub – in Namibia zum Beispiel. In der Heimat findet Messner andere Dinge interessant. Vor fünf Jahren verschlug ihn die Liebe in die Sächsische Schweiz, seitdem entdeckt er die Landschaft am liebsten mit den Füßen und findet Motive spannend, die er früher nicht mal eines Blicks gewürdigt hätte. Stephan Messner entdeckt die Erde. Doch mit der Drohne kann er sich jederzeit ein Stück vom Himmel zurückholen.
Die rote Lampe ist das Zeichen zur Umkehr. „Low battery warning“ blinkt links in der Ecke auf Stephan Messners Monitor. In drei Minuten sind die Akkus leer. Trotzdem würde der Quadrocopter nicht wie ein Stein vom Himmel fallen, die Softwareentwickler haben dem Gerät eine Heimkehrfunktion implantiert, wird die Zeit knapp, geht die Drohne automatisch auf Sinkflug und steuert haargenau dahin zurück, wo ihr Herr und Meister wartet. Nur in einem Punkt ist die Automatik dümmer als ein Insekt: die Heimkehrfunktion erkennt keine Hindernisse. Ausgerechnet am Dach des weithin sichtbaren Aussichtsturms auf dem nordböhmischen Jeschken (1012 Meter) fand einer von Messners Heimflügen ein jähes Ende – der bislang einzige Crash des Foto-Piloten war auch einer in finanzieller Hinsicht. Den Preis will Stephan Messner lieber nicht in der Geschichte lesen. Mit der Drohnenfliegerei hat er erst vor anderthalb Jahren angefangen. Und obwohl er darin so gut geworden ist, fällt jedes Mal, wenn er den Copter sicher zum Boden zurückgebracht hat, ein Stück Anspannung von ihm ab. Der Stress muss so ähnlich sein, als wollte man einen frei in der Luft pendelnden Vespa-Roller aus 500 Metern Höhe unbeschadet auf einer Klippe im Böhmischen Mittelgebirge absetzen. Aber den Preis behalten wir für uns.
5. Sommer-Bergsichten 2016
Zwei Zeitraffer-Filme von Stephan Messner werden nächste Woche bei den Sommer-Bergsichten in Porschdorf gezeigt: „Spirit of Namib“ und „Western Balkan – A Journey into Paradise“.
Am 2. und 3. September auf dem Aktivhof Porschdorf: Das Outdoor-Special des Bergsichten-Festivals in der Sächsischen Schweiz mit Livevorträgen, Filmaufführungen, Lesungen, Aktiv- und Abenteuerprogramm, Lagerfeuer, Zelten u.v.m.
Programm und alle Infos >>> www.bergsichten.de
Sicher ein sehr interessantes Gerät; leider ist die Nutzung im Nationalpark verboten. Den Großen Zschand oder das Kirnitzschtal aus 70, 80 Meter Höhe zu sehen, würde ganz neue Einblicke in die Welt des Sandsteines ergeben.
Wenn man ungefragt beim Klettern und auf dem Gipfel sitzend gefilmt wird, ist dass ganz schön nervig. Egal ob hier oder bei den ‚relaxten‘ Nachbarn.