Das Feuer ist unser ältester Verbündeter. Nicht umsonst kennen wir es als Metapher für die wertvollsten Dinge: Liebe und Leidenschaft, Freiheit, fürs Leben schlechthin. Mit dem neuen Sachsenforst-Biwak am Taubenteich kehrt das menschlichste aller Kulturgüter dahin zurück, woher es einst kam – in den Wald.
Immer, wenn ich unter freiem Himmel ein Feuer anmache, kommt meine Welt zurück ins Lot. Jeder, der es schon mal erlebt hat, kennt das: Wenn die Flammen stillvergnügt an den Hölzern tanzen, die Glut in der Tiefe bald geheimnisvoll zu pulsieren beginnt, der würzige Rauch wie ein Willkommensgruß über dem Lager weht und die Beine so heiß werden, dass man rote Flecken an den Knien bekommt, ist da plötzlich dieses lebendige Gefühl – bis hinein in die Fingerspitzen – dass just in diesem Moment mit der Welt und einem selbst alles goldrichtig und in bester Ordnung ist.
Dieses Gefühl ist uralt. Schon unsere Vorfahren haben es beschrieben. Einige der schönsten und bedeutungsvollsten Geschichten der Menschheit erzählen von der belebenden Kraft des Feuers. In der nordischen Mythologie erwacht alles Leben aus den Funken, die aus dem Flammenreich Muspelheim in die zu Eis erstarrte Urschlucht treiben. Die Kelten kannten eine Feuergöttin namens Brigid, die sie als Hüterin der Fruchtbarkeit verehrten. Im Alten Testament zeigt sich Gott auf dem Berg Horeb in Gestalt eines brennenden Dornbuschs. Anthropologen gehen davon aus, dass die frühen Jäger und Sammler am Lagerfeuer die Sprache und bestimmt auch das Geschichtenerzählen entdeckt haben. Das Feuer war der Urknall der menschlichen Kultur. Nicht umsonst kennen wir es als Metapher für unsere wertvollsten Dinge: Liebe, Leidenschaft, Freiheit – für das Leben schlechthin. Kurz: Am Feuer zu sitzen ist einfach ur-menschlich. Und eine Nacht unter freiem Himmel wird, aus diesem Blickwinkel betrachtet, erst mit einem Lagerfeuer zur vollkommenen Naturerfahrung.
Das wissen wir und tun uns doch schwer damit. Dank Fernheizung und anderer Bequemlichkeiten ist der Umgang mit Feuer nicht mehr Teil unseres Alltags. Wir haben unsere älteste Kulturtechnik verlernt. Manche beherrschen selbst die einfachsten Regeln des Feuermachens und -hütens nicht mehr. Etwa, dass es sich von selbst verbietet, im Hochsommer zwischen Farn und Birken mitten in einem staubtrockenen Riffwäldchen im Elbsandsteingebirge ein Lagerfeuer zu entfachen. Zum Glück sind derartige Fälle von grober Unvernunft längst nicht charakteristisch für all jene, die sich insgeheim nach dieser Form des Naturerlebens sehnen. Denn in der Sächsischen Schweiz ist der Wunsch nach dem Feuer über den Bergsport und die Tradition des Freiübernachtens (Boofens) bis auf den heutigen Tag lebendig geblieben.
Doch diese Sehnsucht sah sich in jüngerer Zeit einem strikten Verbot gegenüber. Mit der Gründung des Nationalparks auf der rechten Elbseite wollten die Forst- und Naturschutzbehörden in den 90er-Jahren der aus ihrer Sicht allzu freizügigen Romantik im Wald einen Riegel vorschieben – aus durchaus verständlichen Gründen. In den 80er-Jahren war das Boofen und Feuern im Elbsandsteingebirge zu einer Art politischem Freiheitsersatz und zum Massenkult geworden, mit noch lange sichtbaren Folgen für die Natur: Müllberge, Bodenerosion, runtergetrampelte Waldhänge, auf denen kein Stück trockenes Holz mehr zu finden war. Genau aus diesem Grund wird das Verbot auch von vielen akzeptiert. Dennoch blieb unter der Decke ein Stück Wehmut und die Hoffnung auf einen für beide Seiten zufriedenstellenden Kompromiss zurück. Das Zugeständnis von 2006, als im Nationalpark zehn Feuerstellen eingerichtet wurden – jedoch fernab von den zugelassenen Freiübernachtungsplätzen und zumeist in Straßennähe – blieb ein Entgegenkommen aus halbem Herzen. Was schade ist. Denn beim Vergleich mit anderen Ländern, die einen starken Bezug zum Wald haben – etwa mit Finnland, wo die staatliche Forst- und Naturschutzbehörde Metsähallitus das Biwakieren in der freien Natur inklusive Lagerfeuer regelrecht fördert – erscheint die sächsische Linie in diesem Punkt über die zurückliegenden Jahre betrachtet doch unnötig streng und unbeweglich.
Umso mehr verdient jetzt ein Projekt im linkselbischen Teil der Sächsischen Schweiz Beachtung: Erstmals wurde dort von den Behörden ein siedlungsferner Platz zum Übernachten und Feuermachen in der Natur freigegeben – am Taubenteich in den tiefen Wäldern zwischen Cunnersdorf und Rosenthal. Das Lager ist Teil einer geplanten 100 Kilometer langen Trekkingroute durchs sächsische und böhmische Elbsandsteingebirge, die mehrere Biwakplätze und Hütten zum Übernachten einschließt. Initiator der Pläne ist der Sachsenforst selbst – genauer gesagt: der Forstbezirk Neustadt, der die Wälder links der Elbe verwaltet. Drei Trekkinghütten wurden inzwischen eröffnet, zwei davon schon im vorigen Jahr, nun folgen am Taubenteich und südlich des Zschirnsteins die ersten beiden Biwak-Plätze, ausgestattet mit einfachen, hölzernen Schlafboxen für fünf bis sechs Leute, konstruiert von Architekturstudenten der TU Dresden. Zum Lager gehören außerdem jeweils eine Trockentoilette und eine Zeltwiese für etwa ein halbes Dutzend Bergzelte. Eine Feuerstelle nebst Brennholzschuppen gibt es vorerst nur am Taubenteich.
Die Bedeutung dieses Schritts und des gesamten Projekts geht weit über die von der Tourismusbranche so sehnlich erhoffte „Belebung“ der linkselbischen Teile der Sächsischen Schweiz hinaus. Es beginnt etwas Neues in der Beziehung zwischen den Förstern und der Allgemeinheit. Zum ersten Mal ergreift eine Forstverwaltung in Sachsen selbst die Initiative, um das vom Gesetzgeber garantierte freie Betretungsrecht der Wälder im Sinne eines Jedermannsrechts auf Naturerlebnis auszugestalten und weiterzuentwickeln. Und sie leistet damit gleich noch einen nennenswerten Beitrag zum Naturschutz. Denn in einer Zeit, die von virtuellen Realitäten und einer zunehmenden Selbst-Entfremdung gezeichnet ist, kommt gerade den Förstern eine für sie ungewohnte, doch entscheidende Aufgabe zu: mit dafür Sorge zu tragen, dass wir den Kontakt zur Natur – draußen und im tiefsten Inneren – nicht vollends verlieren. Man kann es auch ganz einfach sagen: Ein Lagerfeuer am Taubenteich holt uns ein Stück zu uns selbst zurück.
So funktioniert die Biwakbox am Taubenteich:
Nähere Infos gibt es >>> hier zum Download
oder unter >>> www.trekkinghuetten.de
Schöner Text, schönes Blog. Danke.
hartmut,
also verreiße uns mal nicht gar so sehr, natürlich war es „cooltig“, am Freitagnachmittag ins grüne abzutauchen. Das war wirklich ein bisschen Freiheit, ein wenig Sport, noch mehr Natur und ne Menge Spaß, ohne Seil klettern, mit gleichgestrickten am Lagerfeuer oben in den Boofen singen (eine Klampfe hatte immer jemand dabei), sich die Welt zu erklären und die leere Rosentaler Kadarka oder die „14,50“ haben wir bestimmt immer mit runter genommen, frühestens wenn wir gelegentlich schon Samstagfrüh runter zur Schrammsteinbaude oder nach Schmilka wegen eines heißen Kaffee`s und anderem Nachschub mussten. O.k. die Kippenstummel haben wir einfach verbuddelt, den Nationalparkhütern schwillt jetzt berechtigterweise bestimmt der Kamm, ob solcher Geständnisse .
Sonntagabend sind wir dann mehr oder weniger herzhaft müffelnd nach Hause, manchmal hatten wir trotz voller Züge sogar Platz um uns in der S-Bahn. Das war schon genial und der Kopf frei für die Woche. Klar gab es hinsichtlich Natur- und brandschutz unterschiedliche Auffassungen, ganz genau wie heute, ich denke da an das Stichwort Taschentuchgebirge.
Diese Biwakhütten sehe ich also wirklich als eine Entwicklung und als Angebot, den Nationalpark schonend zu nutzen. Also ein großes Lob dafür.
Noch ein Wort an Deine ehemaligen Kollegen. Anfang September wurde im Zusammenhang mit einem abgestürzten Wanderer relativ genau über die Lage von Boofen geschrieben, wo ich nun nicht weiß, ob das zur Berichterstattung notwendig war.
Bleibt noch anzumerken, den Individualverkehr gab es damals mangels Möglichkeit noch nicht, da hat sich was enorm für die Ureinwohner verschlechtert. Hier geht bestimmt noch was.
Peter
Hallo,
diese Zeilen sprechen mir sehr aus der Seele! Als jemand, der Erstklässlern in der Schule das Feuermachen beibringt (damit sie es nicht heimlich unter der Bettdecke machen müssen), weiß ich wovon ich rede, wenn ich sage: Die Feuerkompetenz ist nicht mehr vorhanden. Kaum jemand macht noch täglich Feuer im Herd oder Ofen. Die Feuerkompetenz der Erwachsenen endet meist bei der Kerze, spätestens am Grill. Wen wundert es da, dass von 12 Erstklässlern 3 oder 4 noch nie ein Streichholz entzündet haben!
Im Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes sind solche Sachen wie Falknerei, oder Flößerei aufgenommen, aber nicht das Lagerfeuer. Es gehört doch wirklich ganz oben auf die Liste des Weltkulturerbes! Vor ein paar Jahren habe ich ein Lied geschrieben, das hier hin passt:
Menschenrecht auf Lagerfeuer
’ne Kraxe durch die Wälder tragen,
sich durch schmale Schluchten schlagen,
still auf einem Felsen stehen
und den Bäume auf die Wipfel sehen,
am Lagerfeuer Lieder singen,
Sandsteinfelsen wider-klingen.
Große Landschaft, magischer Reiz!
Ich bin wieder in der sächsischen Schweiz.
Noch Ast in’s Feuer packen,
den Knüppelkuchen knusprig backen.
Geröstetes Brot, geräucherter Schinken,
Geschichten lauschen und Rotwein trinken.
Von Steinen wird die Glut bewacht.
Dies wird ’ne gute Boofennacht.
Doch als am Stock der Käse schmolz,
da knackt es laut im Unterholz.
Wird das Mensch oder Ungeheuer sein?
Ein Mann tritt in den Feuerschein.
Er sagt was wir tun wäre nicht zum Lachen.
Hier dürfe man kein Feuer machen.
Da hab ich in die Glut noch ’n Ast gepackt,
damit es gut und lustig knackt.
Er sagt: „Aber jetzt wird ’s recht arg und teuer!“
Ich ruf: „Menschenrecht auf Lagerfeuer!“
Menschenrecht auf Lagerfeuer!
Ich hab ein Menschenrecht auf Lagerfeuer.
Denn das Feuer hat uns zu Menschen gemacht.
Ohne hätten wir ’s nie so weit gebracht.
Wir hätten uns nicht in die Höhlen gewagt,
und hätten auch keine Mammuts gejagt.
Nur mit den Feuer konnten wir das schaffen,
ohne wären wir nur nackte Affen.
Und die, die nie am Feuer singen,
werden ’s auch nicht weiter bringen.
Menschenrecht auf Lagerfeuer!
Ich hab ein Menschenrecht auf Lagerfeuer.
Weil man Feuer missbrauchen kann
treibt ’s Raketen und Gewehrkugeln an.
Diese Feuer sollte man ersticken,
statt an Lagerfeuern rumzuzicken!
Ja, Feuer zerstört, Feuer verwandelt!
Weil es sich um etwas Lebendiges handelt,
bin ich sicher, dass da mehr passiert,
als dass nur irgendwas oxidiert.
Was mich am Blick in die Flammen so reizt:
dass es das innere Feuer anheizt.
Lagerfeuer kann man nicht entbehren.
Gegen Feuerverbote muss man sich wehren!
Menschenrecht auf Lagerfeuer!
Ich hab ein Menschenrecht auf Lagerfeuer.
Zum Menschen werde ich erst so recht
am Lagerfeuer.
Wer‘ s sich anhören will guckt hier:
https://www.youtube.com/watch?v=ih3dm47Wpp8
Dies ist ein künstlerischer Beitrag, aber keine Aufforderung geltendes Recht zu brechen!
Feurige Grüße
Gerd