Im Elbsandsteingebirge wird´s lebendig: Uhu, Schwarzstorch, Wanderfalke & Co. bekommen Junge. Leider nehmen nicht alle darauf Rücksicht. Wie das Frühjahr aus Sicht des Naturschutzes beginnt. Ein Gespräch rund ums Ei.
Für den Naturschutz ist das Frühjahr im Elbsandsteingebirge mit viel Rennerei verbunden. Wenn die Brutzeit beginnt, machen sich beiderseits der Grenze die Ranger des sächsischen und tschechischen Nationalparks auf den Weg, um die Nester seltener Vogelarten aufzuspüren. Sind sie gefunden, werden in ihrem Umfeld stellenweise Klettergipfel und Wanderwege gesperrt, damit die gefiederten Schützlinge mehr Ruhe zum Brüten haben. Aber nicht alle Kletterer und Wanderer nehmen darauf Rücksicht. Ein Gespräch mit Ulrich Augst von der Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz über den jährlichen Eiertanz.
Sandsteinblogger: In der Sächsischen Schweiz sind zurzeit einige Wege und Felsen gesperrt, weil dort seltene Vögel brüten. Welche Arten sind das?
Ulrich Augst: Hauptsächlich sind solche Zonen für Schwarzstorch, Wanderfalke und Uhu eingerichtet.
Reichen Sperrschilder aus, um den Vögeln die nötige Ruhe zu verschaffen?
Eigentlich sollte das ausreichen. Aber im Bielatal mussten in diesem Jahr schon Kletterer von einem Felsen geholt werden, wo Falken brüten, obwohl dort ein Sperrschild stand. Angeblich hatten sie es nicht gesehen. Sowas kann ich nicht verstehen. Auf der tschechischen Seite ist vor nicht allzu langer Zeit am Gabrielensteigturm eine Brut verloren gegangen, weil dort Leute biwakiert und gefeuert haben. In diesem Jahr ist zum Glück noch nichts passiert. Bislang sind uns keine Verluste bekannt. Bei den Falken dürften in dieser Woche die ersten Jungvögel schlüpfen. Der Sächsische Bergsteigerbund hilft uns beim Bewachen einiger Nistplätze, aber wir können natürlich unmöglich überall gleichzeitig sein.
Fuchs, Marder und anderen Nesträubern sind Sperrschilder egal. Welche Rolle spielt die natürliche Auslese?
Das ist ganz schwer zu beantworten. Statistisch gesehen überlebt etwa ein Drittel der Jungvögel die ersten drei Jahre. Brütenden Wanderfalken droht zum Beispiel Gefahr vom Uhu. Der hat bei uns in der Sächsischen Schweiz sogar schon mal einen brütenden Schwarzstorch erbeutet. Der Fuchs kommt teilweise über Felsbänder bis an die Gelege heran. Wenn die Altvögel aber nicht gerade durch irgendetwas aufgescheucht werden, können sie viele Gefahren abwehren. Deshalb ist es so wichtig, dass sie nicht noch zusätzlich durch uns Menschen gestört werden. Vögel können es überhaupt nicht leiden, wenn man von oben ins Nest reinschaut. Sie sind es gewohnt, die höchsten auf der Welt zu sein. Alles, was über ihnen passiert, ist ihnen nicht geheuer und stellt eine Bedrohung dar. Zum Beispiel, wenn jemand in Nähe ihres Nistplatzes herumklettert oder auf einem Gipfel sitzt.
Oder mit einer Drohne Filmaufnahmen macht?
Wir wissen, dass es schon mindestens zwei Vorfälle am Pfaffenstein gab, wo Drohnen regelrecht die Felsen abgespürt haben – vermutlich, um in das Wanderfalkennest reinzugucken. Leider erwischt man solche Leute meistens schwer.
Gesperrte Klettergipfel im sächsischen Teil des Elbsandsteingebirges >>> Zur Übersicht
Den Wanderfalken galt in der Sächsischen Schweiz zwei Jahrzehnte lang besonderes Augenmerk. In den 90er-Jahren wurden sie gezielt wiederangesiedelt – bis heute werden sie beobachtet, beringt und bewacht. Ist der Aufwand immer noch nötig?
In den letzten fünf, sechs Jahren war die Population stabil. Das Gebirge scheint mit 30 Wanderfalken-Paaren ausgereizt zu sein, mehr passen nicht rein – nicht in Bezug auf mögliche Brutplätze, aber in Bezug auf Nahrungsressourcen. Im Frühjahr beobachten wir, wie die Vögel um die besten Reviere kämpfen, und sobald einer umkommt, ist am nächsten Tag schon der Ersatzfalke da. Es gibt auch eine Abwanderungsbewegung. Mindestens acht Falken von uns sind inzwischen in den Adersbach-Weckelsdorfer Felsen heimisch, ein Weibchen ist im Altvatergebirge, mehrere sind im böhmischen Mittelgebirge, aber auch in Thüringen, in Sachsen-Anhalt, im Harz – selbst in Berlin ist ein Falken-Weibchen aus den Schrammsteinen aufgetaucht. Aber der Population drohen trotzdem eine Menge Gefahren, und die Bestandskurve kann auch ganz schnell wieder kippen.
Nach dem Erfolg des Wanderfalkenprogramms soll es auf der tschechischen Seite neuerdings Bemühungen geben, das Auerhuhn wieder anzusiedeln…
Nicht das Auerhuhn, sondern das Haselhuhn. Auf der Suche nach geeigneten Fanggebieten waren wir vor zwei Jahren in der Slowakei, dieses Frühjahr im Böhmerwald. Ich weiß nicht, ob schon die erforderlichen Genehmigungen vorliegen, aber es könnte noch in diesem Jahr losgehen. In Thüringen läuft das schon seit ein paar Jahren erfolgreich, und auch in der Niederlausitz gibt es bei einem ähnlichen Programm die ersten Reproduktionsnachweise – dort ist es allerdings wirklich das Auerhuhn.
Vogelstimmenwanderung im Nationalpark
Samstag, 22. April 2017, von 7 bis 11 Uhr: Vogelstimmenwanderung um den Lilienstein mit Peter Jäger von der Nationalparkwacht. Treffpunkt Wanderparkplatz am Lilienstein – Fernglas nicht vergessen!
Hat das Haselhuhn einen besonderen Stellenwert für die heimische Sandsteinlandschaft oder braucht der Naturschutz einfach ein paar neue Aushängeschilder?
Früher waren die Hühner im Elbsandsteingebirge weit verbreitet. Alleine von 1817 bis 1836 wurden zum Beispiel in den Thorwalder Wänden über 50 Haselhühner erlegt, daran kann man sehen, wie viele es damals gab. Doch dann ist das Huhn bei uns ausgestorben. Der letzte Brutnachweis stammt von 1942.
Schon heute gibt es ein paar ganz seltene Bewohner in der Sächsischen Schweiz, deren Vorkommen nach Möglichkeit geheim gehalten wird. Dazu gehören der Schwarzstorch und der Uhu. Wie groß ist die Chance, mal einen in freier Wildbahn zu beobachten?
Beim Uhu ist die Chance sehr gering, weil er tagsüber einfach irgendwo versteckt dasitzt und kaum zu sehen ist. Den Schwarzstorch wird man hingegen schon mal sehen können, wenn man früh an einem Bach entlangwandert. Oder wenn man aufmerksam nach oben blickt.
Schwarzstörche kann man schon öfter mal beobachten, wenn sie über die Wälder kreisen. Wenn man Glück hat, sogar von oben. Wenn man auf dem Klingermassiv sitzt oder an einer der Aussichten vom Katzstein. Oder auf dem Sattelberg…