Aus tiefstem Grund nach Waitzdorf

Eine Frau sitzt auf einer Bank. Von dort geht der Blick weit über die Tafelberge der Sächsischen Schweiz.
Der schönste Logenplatz des Elbsandsteingebirges - die Waitzdorfer Aussicht. (Foto: Hartmut Landgraf)

In der Nähe von Waitzdorf soll sich vor 320 Jahren ein blutiges Liebesdrama abgespielt haben. Es endet mit einem Sensenduell. Unterwegs auf den Spuren einer Legende. Ein Wandertipp.

Der Begriff Sense wird oftmals synonym für die Straße im Tiefen Grund verwendet – und viele wissen nicht, was es damit eigentlich auf sich hat. Das Wort erinnert an ein Liebesdrama, dass vor langer Zeit im Engtal zwischen Porschdorf und Hohnstein sein blutiges Ende fand. Und nicht nur das Wort erinnert daran – sondern auch eine Spur. Nicht weit von den Brandstufen entfernt auf der gegenüberliegenden Talseite führt die Straße direkt an einer moosgrünen Felswand vorbei. Dort ist ein auffälliges Zeichen in den Stein geschlagen – eine mit weißer Farbe nachgemalte Sense. Rechts daneben ist auch ein Kreuz in die Wand geritzt und eine Jahreszahl – 1699.


Elbsandstein-Touren | Reisereportagen


Touren-Serie in Koorperation mit dem Tourismusverband Sächsische Schweiz

Man kann die Legendenorte der Leidenschaft auf einer kurzen, romantischen Wanderung vom Tiefen Grund hinauf zur Waitzdorfer Aussicht kennenlernen. Und wer sich jetzt an einem novembergrauen Tag nachmittags oder in den Abendstunden auf diesen stillen Weg begibt, bekommt auch etwas von der Melancholie zu spüren, die von ihm ausgeht.

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Kurzbeschreibung:

Eine kurze, romantische Herbstrunde auf den Spuren einer traurigen Legende: Vom Parkplatz an der Frinzthalmühle geht´s den Tiefen Grund talaufwärts immer am Bach lang bis zu den Brandstufen, dann ein Stück die Straße weiter geradeaus, nach etwa 300 Metern, kurz hinter der „Sense“, rechts weg und dem Malerweg folgend durch den Dorfgrund nach Waitzdorf. Kurzer, knackiger Anstieg, für den man sich aber schon 15 Minuten später im gemütlichen Dorfgasthof belohnen kann. Von dort südlich um den Ort herum Richtung Ochelwände zur Waitzdorfer Aussicht (traumhafter Rundblick!). Anschließend gelangt man in einem weit ausladenden, aber gemütlichen Bogen über den Mühlweg und diesen bald wieder Richtung Talkante verlassend zum Abstieg über den Schandauer Berg und schließlich über den Ochelweg zurück in den Tiefen Grund.

  • Distanz ca. 8 Kilometer
  • 204 Höhenmeter
  • Wanderzeit insgesamt ca. 2:30 h (ohne Rast)
  • Charakter: Leichte Rundwanderung mit einem kurzen Steilstück in der Mitte.
  • Einkehrmöglichkeiten: „Waitzdorfer Schänke“, im Sommerhalbjahr täglich außer dienstags geöffnet, im Winter jeweils Donnerstag bis Sonntag, 11 bis 16 Uhr.
  • Mit dem Auto: Über Hohnstein Richtung Bad Schandau in den Tiefen Grund hinunter, dann links Abzweig nach Waitzdorf (kostenloser Parkplatz!). Talaufwärts von Bad Schandau kommend, ist die Zufahrt zurzeit wegen Straßenbauarbeiten gesperrt.
  • ÖPNV:  Bus-Linie Linie 235 von Hohnstein nach Waitzdorf. Fahrplaninfos: RVSOE


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Im Dorfgrund herrscht eine fast schwermütige Stille. Es ist Spätherbst, die ersten Bäume werden kahl. Ein Teppich aus welkem Laub bedeckt den Boden. Man geht gedämpften Schritts über die vielen unsichtbaren Stufen, die hinauf nach Waitzdorf führen – und hinunter zum Ort des Blutbads. Wie oft mag sie diesen Weg gegangen sein? Alleine, still und heimlich. Mit gebrochenem Herzen und schweren Schuldgefühlen. Damals, vor 320 Jahren.

Es ist eine alte und traurige Geschichte. Sie handelt von Sehnsucht und verlorener Unschuld. Von zwei Männern, die zu Feinden wurden. Von einem Zweikampf auf Leben und Tod. Im Mittelpunkt des Dramas steht, wie so oft, eine Frau. Schauplatz ist Waitzdorf.  Ein kleiner, verträumter Ort unweit von Hohnstein am Rand der Sächsischen Schweiz. Bunte Fachwerk- und Umgebindehäuser. Sonnige Vorgärten. Stockrosen und Pusteblumen. Vogelhäuschen, in denen sich die Meisen tummeln. Über die Hügel am Ortsausgang zottelt friedlich eine Herde Galloway-Rinder. Eine Hobbitsiedlung im besten Sinn – schläfrig, lieblich, aufgeräumt. Nicht gerade der Stoff, aus dem Legenden sind.

Doch es gibt ihn. Der Heimatforscher Wilhelm Leberecht Götzinger erwähnt es bereits 1812 in seiner „Beschreibung der Sächsischen Schweiz“: das blutige Duell im Tiefen Grund. Zwei Bauernburschen, beide tüchtig und lebenslustig – gute Freunde seit der Kindheit – und hoffnungslos verliebt in dieselbe Frau: eine schöne Husarentochter aus Waitzdorf. Beide wetteifern um die Gunst des Mädels. Sie – kann sich nicht entscheiden. Beim Tanz am Kirmestag gerät die Sache schließlich außer Kontrolle. Sie werde denjenigen heiraten, der den größeren Mut zeigt, soll die Maid ausgerufen haben. Es kommt zum blutigen Zweikampf: dem legendären Sensen-Duell im Tiefen Grund. Der Sage nach sollen die beiden Bauernburschen im besten Zwirn auf der Wahlstatt erschienen sein. Auf dem Kopf trug jeder einen Strohhut mit bunten Bändern, die ihnen das Mädel einst geschenkt hatte. In der Hand eine nagelneue Sense. Damit schlagen sie aufeinander los. Für einen endet die Sache tödlich. Der andere flieht in die weite Welt. Jahre später soll er noch einmal nach Waitzdorf zurückgekehrt sein. Er trank ein Bier in der Schänke und ging zum Haus der Husarentochter. Sie lebte noch dort – einsam und zerbrochen vom Leid. Ihre Schönheit war verfallen wie welkes Laub. Der Bursche machte auf dem Absatz kehrt und wurde nie wieder gesehen.

Man kann sich auf die Spuren dieser Geschichte begeben: Vom Parkplatz an der Frinzthalmühle bei Porschdorf führt ein lauschiger Pfad immer am Bach entlang den Tiefen Grund hinauf, bis zu den Brandstufen. Dort geht´s geradeaus weiter, ein Stück auf der Straße. Wenig später erreicht man den Ort, an dem die Liebesgeschichte damals ihr blutiges Ende fand. Wo der Wanderweg den Tiefen Grund verlässt und in den Dorfgrund nach Waitzdorf einbiegt, führt die Straße nah an einem auffälligen Felsen vorbei. Eine mit weißer Farbe nachgemalte Sense ist dort in den Stein geschlagen. Rechts daneben ist ein Kreuz in die Wand geritzt und eine Jahreszahl – 1699.

Im Ort ist diese Geschichte bis heute lebendig geblieben, sagt Corina Knopf – die Wirtin der Waitzdorfer Schänke. „Alle kennen sie, sie wird sogar in der Schule behandelt.“ Auch in der Speisekarte des urigen Gasthofs findet sich eine Anmerkung dazu. Die Schänke ist älter als die Sage. Schon im späten Mittelalter wird sie erstmals erwähnt. Das Haus muss zum Ausgang des 19. Jahrhunderts neu errichtet werden, anstelle des alten abgebrannten Hofs. Die Vorstellung, dass die beiden Sensen-Freunde hier in fröhlicher Eintracht so manchen Krug Bier miteinander geleert haben mögen, begleitet einen für den Rest des Weges.

Man kann von der Schänke noch ein Stück um die südlich vom Dorf gelegenen Wiesen herum Richtung Ochelwände weiterwandern und erreicht nach zehn Minuten den vielleicht romantischsten Aussichtspunkt im gesamten Elbsandsteingebirge. Dazu muss man wissen, dass es an der Talkante zum Tiefen Grund mehrere schöne Blicke unter dem Sammelbegriff Waitzdorfer Aussichten gibt. Selbst im Ort gehen die Ansichten auseinander, welche die eigentliche ist. Am bekanntesten dürfte der vom Dorf gesehen zweite Aussichtspunkt am Michaelistagstein sein – zumindest als Fotomotiv. Ein paar Treppen führen hinauf, eine einsame Bank steht oben, von der man weit in die Runde blicken kann – von den Zschirnsteinen über die linkselbischen Tafelberge bis zu den Weißen Brüchen bei Rathen.

Jetzt im Herbst ziehen des Öfteren Nebel um die gegenüberliegenden Tafelberge und packen ihre Flanken in weiße Watte. Dann sitzt man hier oben wie auf einem Logenplatz und hat die Welt auf dem Tablett vor sich liegen. Und es gibt wohl auch keinen besseren Ort, um eine Weile still und für sich allein über den Sinn des ganzen Dramas nachzudenken. Warum Liebe manchmal in einem Blutvergießen endet. Und sei es nur im Herzen.

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