Man sieht ihn immer seltener in Sachsen: den Feuersalamander. Der Freistaat hat ihn sogar zur Fahndung ausgeschrieben. Eines seiner letzten Refugien ist die Sächsische Schweiz. Was ist los mit dem kleinen giftgelben Lurch?
Ein stilles Kerbtal im Nationalpark Sächsische Schweiz. In sanften Biegungen kommt ein kleiner Bach den Grund herabgeflossen – mal behände über Steine sprudelnd, mal satt und faul vom mitgeführten Laub. Wild durcheinander wachsen Rot- und Hainbuchen, Spitz- und Bergahornbäume an den Hängen. Manche liegen, vom Alter gebrochen, neben- und übereinander. Niemand räumt sie weg. Außer Wildfährten führt seit Jahrzehnten kein Pfad mehr durch diesen Grund. Seit mehr als einem halben Jahrhundert steht das Tal unter Naturschutz. Es ist eines der letzten ungestörten Refugien für den Feuersalamander.
Aber selbst hier ist der markante giftgelbe Lurch nicht mehr so häufig anzutreffen wie früher, sagt Holm Riebe, Artenexperte bei der Nationalparkverwaltung. Es wird eng für den Feuersalamander in Sachsen. Anfang der Woche gab das sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) erstmals eine bemerkenswerte Vermisstenmeldung heraus. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, Sichtungen der Tiere oder ihrer Larven an die zuständigen Behörden zu melden. In weiten Teilen Sachsens sei der auf der Roten Liste als „stark gefährdet“ eingestufte Feuersalamander bereits verschwunden.
„Komische Entwicklung“
Dabei haben sich die Bedingungen für die Amphibien seit der Wende vielerorts verbessert. Bäche, die früher grün und blau von Industrieabwässern waren, sind heute wieder sauberer. Im staatlichen Forst wird die jahrzehntelange Alleinherrschaft der Fichte in einem ambitionierten Waldumbauprogramm zugunsten von Laubgehölzen durchbrochen. Und damit gewinnt auch der Feuersalamander Lebensräume, die ihm in der Vergangenheit verloren gingen, zurück. Trotzdem zeigen wissenschaftliche Untersuchungen das Gegenteil: „Die Entwicklung ist komisch“, sagt Holger Lueg vom Artenschutzreferat des LfULG. Das obere Elbtal mit der Sächsischen Schweiz ist das letzte zusammenhängende Salamander-Gebiet im Freistaat. Im Rest von Sachsen gleicht sein Reich eher einem Flickenteppich.
Der Struppenbachgrund im Elbsandsteingebirge ist einer der Orte, wo die Welt für die Lurche noch in Ordnung ist. Hier ziehen sie jedes Frühjahr als Großfamilie von den höher gelegenen Steinbruchwänden hinunter an ihre Laichgewässer – und im Herbst wieder zurück. Jedes Mal aber wird ihre Wanderung mittendrin von einem 400 Meter langen Krötenschutzzaun gestoppt. Den hat der Landschaftspflegeverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge dort aufgestellt – zum Glück für die Feuersalamander. Denn das Tal wird von einer Straße durchkreuzt und ohne den Zaun würde so mancher von ihnen seine Hochzeitsreise mit dem Leben bezahlen. Die Lurche gehören nicht zu den Schnellsten. „Im letzten Jahr haben wir 200 Tiere vor dem Überfahren gerettet“, erzählt Mathias Roitzsch vom Landschaftspflegeverband. Weil es so viele waren, sieht er keine Gefahr für den Fortbestand der Struppengrund-Familie. „Mit unserer Arbeit halten wir die Population stabil“, sagt Roitzsch. Auch anderswo in der Sächsischen Schweiz habe er nicht den Eindruck, dass der Feuersalamander vom Aussterben bedroht sei.
Spielt der Klimawandel eine Rolle?
Doch in Sachsen haben drei große Untersuchungsreihen die rückläufige Entwicklung längst bestätigt. Dabei wurde das Land wie auf einem Messtisch in Quadranten eingeteilt, innerhalb derer über Jahre hinweg alle Hinweise und Beobachtungen akribisch gesammelt und ausgewertet wurden. Erkannt wurde dabei: Die Amphibienart wird in Sachsen immer seltener. Und dafür könnte eine zweite wesentliche Beobachtung schon die Erklärung liefern: Beim Feuersalamander scheint es mit der Fortpflanzung nicht mehr zu klappen. „Im Gegensatz zu früher werden kaum noch Larven gefunden“, sagt Holger Lueg. Da Salamander jedoch erstaunlich alt werden können – bis zu 40 Jahre und mehr – fällt es selbst Experten nicht gleich auf, wenn eine Population zusammenzubrechen droht.
Was genau den Tieren eigentlich fehlt, ist nicht endgültig geklärt. Menschliche Eingriffe in der Landschaft dürften eine entscheidende Rolle gespielt haben. Am wohlsten fühlt sich der Lurch in feuchten Tälern und Schluchten mit natürlichen Laubwäldern. Gerne haust er in Bachnähe, Felsnischen, unter Totholz, Wurzeln und Steinen. Natürliche Feinde hat der Salamander kaum, denn er schützt sich mit giftigen Hautsekreten, die selbst für einen Hund noch lebensbedrohlich werden können, gegen tierische Angreifer. Seine Feinde sind Rodungen, intensive Landwirtschaft, Bodenerosion, kanalisierte und verdreckte Bäche. Holger Lueg spricht von einer „riesigen historischen Last“. Als relativ neue Bedrohung spielt auch der Klimawandel eine Rolle. Heftige, sturzbachartige Regenfälle, wie sie sich seit einigen Jahren in Deutschland häufen, spülen die Larven des Feuersalamanders aus den sicheren Oberläufen der Bäche hinunter in die Flüsse – wo sie Futter für die Fische sind.
Auf manche Frage erhofft sich das Landesumweltamt nun Antwort aus der Bevölkerung. Zunächst geht´s um noch mehr und präzisere Daten. Denn noch immer gibt es Wissenslücken. Auch in der Sächsischen Schweiz, wo die Nationalparkverwaltung alle bekannten Lebensräume des Feuersalamanders sogar kartiert hat. Auf einem Luftbild wurden die Fundorte rechts und links der Elbe mit roten Punkten versehen. Wo sich die Punkte zu Konglomeraten versammeln, leben größere Populationen des Feuersalamanders, erklärt Artenspezialist Holm Riebe. Im Struppenbachgrund, in einigen Seitentälern des Kirnitzschtals und im Großen Zschand. Die Daten sind inzwischen aber mehr als zehn Jahre alt und müssten erneuert werden. Bei der nächsten Aktualisierung kann es sein, dass einige Punkte gelöscht werden müssen. Holm Riebe ist mit solchen Prognosen vorsichtig. „Vielleicht gibt es auch noch mehr Feuersalamander als wir denken“, sagt er. Die Fahndung wird es zeigen.
Mitmachen!
Das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie hat eine Internetseite speziell für die Fahndung nach dem Feuersalamander eingerichtet. Dort kann man über ein bereitgestelltes Formular Beobachtungen melden und Fotos hochladen. Der Stand und die Ergebnisse der Untersuchung werden dort ebenfalls dokumentiert.
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